Tage Alter Musik – Almanach 2015

27 Besonders die Psalmen der „Marienvesper“ im Nachtkonzert übten im frühgotischen Raum eine ganz seltene intensive Magie aus. Raum und Musik wurden zu einer mystischen Einheit Montag, 25. Mai Weiterhin ungebrochene Bewunderung für die vielseitige, vielfarbige Programmierung; weiterhin ungebrochene Lust, sich allen dieser wundervollen Verführungen aus Klängen auszusetzen. Aber auch schon etwas Ermüdung, Überreizung. Wie immer am letzten Tag bei diesem hinreißend engagierten Festival muss man darauf achten, dass man die Eindrücke noch sortieren kann. Daher heute etwas weniger... Morgens die ebenso ferne wie phantastische Welt der Musik für Gambenconsort im Reichssaal mit dem Ensemble Phantasm aus England – welch treffender Name. Denn Phantasm ruft die Ahnen unseres Streichquartetts wieder wach, lässt die versunkenen Klänge tanzen und sich in den verwegensten Volten ergehen. Die vier Musiker plus eine Musikerin rocken die Musik von Größen des Consorts wie Orlando Gibbons, William Byrd, William Lawes oder John Jenkins. Bei Henry Purcell hingegen, dem mozartgleich viel zu früh verstorbenen Universalgenie der englischen Musik, gibt es nichts mehr zu rocken. Seine Consort Musik findet gleichsam im Himmel statt, Rhythmus und Harmonie heben sich auf in Klanggespinsten von unfassbarer Delikatesse, von diesem phantastisch-magischen Ensemble mit einer schier unnachahmlichen Kombination von Energie und Vergeistigung gespielt. Auf den Kauf einer CD wurde trotzdem verzichtet; dieses Erlebnis kann so nur in einem Raum wie dem Reichssaal aus dem 14. Jahrhundert stattfinden oder in einem der zahllosen gotischen Räume Großbritanniens. Unsere praktische Realität wird dem nicht gerecht. Letzte Station: die Sankt Oswald Kirche, wo am Nachmittag das italienische Barockorchester Il Suonar Parlante Concerti aufspielte, das von der Volksmusik des Barock inspiriert und geprägt ist. Auch hier ein Gambist im Fokus, Vittorio Ghielmi, der aber alles viel ruppiger und derber angehen ließ als seine Kollegen am Vormittag. Ganz besonders Telemann und Vivaldi zeigten sich von der Volksmusik ihrer Zeit fasziniert und ließen in vielen Kompositionen polnische, türkische oder ungarische Elemente zum Ausbruch kommen. Das Ensemble hatte sogar einen Cimbalom-Spieler dabei, die sehr oberton- und resonanzreiche ungarische Variante des Hackbretts. Wer noch in Stimmung für fetzigen Barocksound war, der erlebte hier einen weiteren Höhepunkt des Festivals. Abseits davon hatte man den aber am Vormittag im Reichssaal gehabt. Fazit Auch Jahrgang 31 der Tage Alter Musik in Regensburg bildete wieder dieses wunderbar farbige Kaleidoskop der weiten Welt der historisch informierten Aufführungspraxis. Man kann nur hingerissen sein von dem Talent, Können und Wissen der Musiker, die diesen immer und unverdient als „Nische“ aufgefassten Bereich zum spannendsten des gegenwärtigen Musikbetriebs machen. Und man ist dankbar für die unbeugsame Aktivität der Organisatoren Ludwig Hartmann, Stephan Schmid und Paul Holzgartner. Der Aufenthalt in Regensburg 2016 ist natürlich schon gebucht.

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