Tage Alter Musik – Almanach 2015

34 REGENSBURG. Wer ist Alexander Agri- cola? Das wollten anscheinend viele Musikfreunde wissen. Sie haben sich auf die Karten zum Konzert des „En- semble Leones“ gestürzt; es war als ers- te Veranstaltung bei den Tagen Alter Musik 2015 ausverkauft. Die Macher des Festivals waren überrascht: „Viel- leicht reizt die besondere Besetzung mit Gesang, mehreren Streichinstru- menten, gotischer Harfe und Zink“, versucht Ludwig Hartmann das Inter- esse an einem Komponisten zu erklä- ren, der im 19. Jahrhundert noch einen eher zweifelhaften Ruf genoss: „Mürri- schen, übellaunigen, finsteren Kontra- punkt“ warf da der Musikologe Au- gust Wilhelm Ambros dem 1506 ver- storbenen frankoflämischen Kompo- nisten vor… Bei Ensemble-Leiter Marc Lewon hört sich das dann schon anders an. Er verspricht ein „Konzert voller Farben, Klänge und Hintersinn“ – vielleicht insgesamt ein gutes Motto für die Aus- gabe eins, nachdem die Tage Alter Mu- sik im vergangenen Jubiläumsjahr die 30 voll gemacht haben. 30 Jahre: So lange hat es gebraucht, bis das international längst etablierte und hoch angesehene Festival nun endlich auch in seiner Heimatstadt richtig angekommen ist. Weil städtische Akteure offen auf Hartmann und seinen Kollegen Ste- phan Schmid zugegangen sind, statt sie, wie in den Anfangsjahren, mehr oder weniger als Spinner zu betrach- ten, haben sich ertragreiche Kooperati- onen ergeben: die Kurstage, mit denen die Tage Alter Musik seit einigen Jah- ren an der Kirchenmusikhochschule in eine Verlängerung gehen (diesmal mit Joshua Rifkin), die Purcell-Produk- tion im Theater am Bismarckplatz 2014 und – in Zusammenarbeit mit dem Institut für Musikwissenschaft der Universität – mehrere Konzertein- führungen sowie die in einem Semi- nar entstandenen Programmheftbei- träge. Was passiert 2016? Voraussichtlich im Herbst 2015 wird außerdem der Stadtrat über eine von Oberbürgermeister Joachim Wolbergs in Aussicht gestellte institutionelle Förderung befinden, was den Verant- wortlichen erstmals Planungssicher- heit über einen längeren Zeitraum ge- ben würde. Auf die Frage, ob es für den Fall einer finanziellen Aufstockung schon Pläne für die Tage Alter Musik 2016 gebe, belässt Stephan Schmid es bei einer Andeutung: „Wir haben noch etwas für 2016 in Bereitschaft…“ Darü- ber hinaus, daran lassen die beiden En- thusiasten keinen Zweifel, wüssten sie wohl sehr genau, wie man eine Etater- höhung sinnvoll investieren könnte: zum einen natürlich ins Programm, et- wa mit groß besetzten Oratorien, be- stimmten Ensembles, die man sich bis- her nicht hat leisten können, oder in besonders aufwändige Produktionen. „Händels Wasser- und Feuerwerksmu- sik in richtig großer Bläserbesetzung, vielleicht als Freiluftaufführung, das wäre schon mal was“, schwärmt Ste- phan Schmid. Zum anderen aber wür- de auch mehr Geld für Werbe- und Imagemaßnahmen nicht schaden, ein Bereich, in dem man sich bisher vor- nehm zurückgehalten hat – zurück- halten musste. Nun gilt es aber erst einmal, das aktuelle Programm über die Bühne zu bringen, das einmal mehr mit seiner Mischung aus absolu- ten Koryphäen der Szene und Neuent- deckungen, aus bekanntem und noch mehr entlegenem Repertoire besticht. Da wird zum Beispiel Joshua Rifkin Claudio Monteverdis berühmte Mari- envesper gleich doppelt gegen den Strich bürsten: zum einen mit der so- listischen Chorbesetzung, mit der er schon die Bach-Interpretation revolu- tioniert hat, zum anderen mit der Trennung der Bestandteile geistliche Konzerte und Vesper, die separat auf- geführt werden. Prominenter Festivalgast Unter anderem von diesem Pro- grammpunkt angelockt, hat sich ein prominenter Festivalgast angekün- digt: Andreas Holzschneider, der über 20 Jahre lang die „Archiv Produktion“, das legendäre Pionierlabel für Alte Musik, leitete und später Geschäfts- führer und Präsident der Deutschen Grammophon war. „Es ist schon eine große Ehre, dass er kommt und das ganze Wochenende über bleibt“, freut sich Ludwig Hartmann, „denn mit sei- nen Produktionen ist er ja eigentlich daran ‚schuld‘, dass wir das hier ma- chen.“ Aber auch die aktuellen Leiter der wichtigsten Alte-Musik-Festivals, etwa aus Utrecht, Brügge und Antwer- pen, haben sich angemeldet, Stephan Schmid: „Es gibt also offenbar etwas zu erleben bei uns, das sich lohnt.“ KONZERTE Das Festival zieht Koryphäen der Szene und junge Talente nach Regens- burg. Im 31. Jahr der Reihe dürfen die Macher endlich von mehr Geld träumen. Tage AlterMusik auf der Erfolgsleiter ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ●● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ●● VON JUAN MARTIN KOCH, MZ Die Macher der Tage Alter Musik: Stephan Schmid, Paul Holzgartner und Ludwig Hartmann (v. l.) auf einer Treppe in der Alten Kapelle Foto: Hanno Meier/TAM ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ●● ●● DIE TAGE ALTER MUSIK ➤ Das Festival bietet zwischen dem 22. und 25. Mai insgesamt 15 Konzerte an zehn historischen Schauplätzen. Er- öffnet wird die Reihe, die in diesem Jahr zum 31. Mal über die Bühne gehen wird, am 23. Mai imHistorischen Salzstadel. Dort ist auch eine Ausstellung von Mu- sikinstrumenten zu sehen. ➤ Tickets in allen Preiskategorien gibt es noch für zwei groß besetzte Barock- Programme: Am Sonntag, 24. Mai, geht das Orchester „Harmonie Universelle“ mit vielgestaltigen Concerti grossi der „Corellimania“, also der Popularität des italienischen Komponisten und Geigers Arcangelo Corelli, auf den Grund. Am Montag, 25. Mai, lassen „Les Ambassa- deurs“ das breit gefächerte Repertoire der Dresdner Hofkapelle aufleben. CD-Markt im Salzstadel (links) sowie Kunst am TAM-Transporter (rechts)

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