Tage Alter Musik – Almanach 2015

38 Beständig auf der Suche nach dem Besonderen Die Regensburger Tage Alter Musik bleiben ihrem Kurs treu von Ingo Negwer Die 31. Tage Alter Musik in Regensburg boten am Pfingstwochenende wieder ein prall gefülltes Programm mit Musik von der Renaissance bis hin zur Klassik. Den Auftakt gestalteten, einer langjährigen schönen Tradition folgend, die Regensburger Domspatzen unter der Leitung von Roland Büchner. Begleitet vom österreichischen L’Orfeo Barockorchester sangen sie in der Dreieinigkeitskirche geistliche Werke von Wolfgang Amadeus Mozart. Mit immer wieder beeindruckender Ausgewogenheit und Klangschönheit zeigte sich der Knabenchor im „Regina coeli“ B-Dur, in der Motette „Veni sancte spiritus“ und vor allem in der abschließenden Missa solemnis C- Dur von seiner besten Seite. Als Solisten wirkten mit Yeree Suh (Sopran), Kilian Brandscherdt (Alt, Regensburger Domspatz), Gustavo Martín-Sánchez (Tenor) und Joachim Höchbauer (Bass), wobei der geradezu ideale Mozart-Sopran von Yeree Suh aufhorchen ließ. Mit natürlichem Charme und äußerst beweglich in den virtuosen Koloraturen ließ die junge Südkoreanerin das „Exsultate, jubilate“ hell auf- leuchten. Im anschließenden Nachtkonzert erklangen in der Schottenkirche Emilio de’Cavalieris „Lamentationes Prophetae Jeremiae“. Diese frühbarocke Passionsmusik besticht mit unerhört expressiven Harmonien und einem ständigen Wechsel zwischen monodisch-sprachbe- tonten Soli und mehrstimmigen, kontrapunktischen Abschnitten. Dargeboten wurde sie von den Profeti della Quinta. Das israelisch- schweizerische Ensemble um Elam Rotem (Bass und Cembalo) nahm sich dieser Rarität engagiert zupackend an und fügte die drei kleingliedrigen „Lesungen“ (für den Gründonnerstag, den Karfreitag und den Karsamstag) zu stimmigen homogenen Einheiten zusam- men. Die sechs Sängerinnen und Sänger wurden von einer großen Continuo-Gruppe mit Cembalo, Orgel, Arciliuto, Lirone und Viola da Gamba begleitet, was der Musik eine angemessene Farbigkeit verlieh. Britischer Klangsinn und neapolitanische Sinnesfreuden Die britische Geigerin Rachel Podger feierte bereits 2012 bei den Tagen Alter Musik mit Brecon Baroque einen großen Erfolg. In die- sem Jahr kehrte sie als Solistin nach Regensburg zurück und brachte ihre „Lieblingsstücke“ mit: die Solopartita für Traversflöte und die Partita d-Moll für Violine solo von Johann Sebastian Bach, außerdem Giuseppe Alessandro Ferruccio Tartinis virtuose Sonate a-Moll und Heinrich Ignaz Franz Bibers berühmte „Schutzengel“-Passacaglia aus den Rosenkranzsonaten. Vom ersten Ton an gewann sie mit feinsinnig kantablem Spiel und einer unaufdringlichen, souveränen Virtuosität die Sympathien des Publikums. Wie nur wenige vermag Rachel Podger nuancierte Klangschönheit und Intensität des musikalischen Ausdrucks zu vereinen. Langanhaltende Ovationen waren der Dank. Mit süditalienischer Lebensfreude wurde das Festival unter freiem Himmel fortgesetzt. Echo du Danube entführte die Zuhörer im Innenhof der Hochschule für Katholische Kirchenmusik in das Neapel des 17. Jahrhunderts. Die Werke von Francesco Provenzale, Andrea Falconieri, Gregorio Strozzi u. a. – mit einer reichlichen Prise mediterranem Temperament vorgetragen – umfassten ein buntes stilistisches Spektrum aus Oper, Tanz und Folkore. Warum man dieses Konzert mit eher sanften Saiteninstrumenten wie Gambe, Salterio, Harfe und Theorbe ausgerechnet im Freien stattfinden ließ, erschloss sich mir allerdings nicht. Zwar hörte man die hervorra- genden Musiker gut – alles andere aber leider auch, z. B. einen historischen Doppeldecker, der über der Regensburger Altstadt und über Strozzis „Toccata de Balli“ seine Bahnen zog. Wind und Wetter machten die Sache für die Musiker keineswegs einfacher. Spätestens als eine Amsel sich von Francesca Boncompagnis schönem Sopran inspiriert fühlte, konnten Interpreten und Publikum dem kurzweiligen Programm noch eine weitere humoristische Note abgewinnen. Der zweite Festivaltag ging mit englischer Renaissancemusik zu Ende. Das siebenköpfige Marian Consort lieferte mit vorzüglichen kla- ren Stimmen und präzise austarierter Balance einen überzeugenden Beweis seines Könnens. Zusammen mit dem Rose Consort of Viols präsentierten sie Kompositionen von William Byrd, Robert Parsons, Philipp van Wilder u. a.; vor allem in Byrds „Lulla, Lullaby“ und Robert Parsons „Ave Maria“ verschmolzen Gesang und Gamben im großen Raumklang der Dominikanerkirche zu einer anrührenden Einheit. Monteverdi einmal anders – Vom Gelingen der Experimente Der Pfingstsonntag begann kaiserlich: Das französische Ensemble Stravaganza spielte im Reichssaal Musik vom Habsburger Hof. Temperamentvoll und energiegeladen meisterte Domitille Gilon (Violine) die Kompositionen von Johann Heinrich Schmelzer, Heinrich Ignaz Biber und Giovanni Antonio Pandolfi. Begleitet wurde sie von Ronald Martin Alonso (Viola da Gamba), Etienne Galettier (Theorbe), Matthieu Boutineau (Orgel) und Thomas Soltani, der mit Johann Jakob Frobergers Cembalo-Lamentation auf den Tod Kaiser Ferdinands III. einen meditativen Ruhepol setzte.

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