Tage Alter Musik – Almanach 2015

47 großartige Ende, die Vesperpsalmen, folgen dann zu nächtlicher Stunde. Dabei leuchtete es dem aus 50 Jahren Aufführungspraxis des 20. und 21. Jahrhunderts möglicherweise etwas verbildeten Hörer nicht so recht ein, warum Rifkin bei dem Wechsel in den Dreiertakt das Tempo so proportionierte, dass es langsamer wird. Als hätte sich der Forscher eine Euphoriebremse verordnet nach dem Motto: „Monteverdi ist nicht so lebhaft, wie Ihr denkt!“. Leider dünnte Rifkin auch die Begleitung aus und ließ die famosen Bläser und Streicher des Concerto Palatino nur sehr ausgesucht mitspielen. Schade! Andererseits kamen so die edlen, makellosen Stimmen seiner Sängerinnen und Sänger besonders klar zur Geltung. Doch im Ganzen nährte diese Aktion eher Zweifel an Rifkins These, die drei Genres der Veröffentlichung Monteverdis von 1610 seien eigentlich getrennt gemeint. Zumindest Vesper und Concerti gehören zusam- men, wussten doch schon die Alten: variatio delectat. Die beiden Kurzkonzerte mit der Messe und den Vokalkonzerten sind nachzuhö- ren auf BR Klassik am 9. Juli 2015 ab 20:03 Uhr und im Deutschlandfunk am 26. Juli ab 21:05 Uhr. Genug der Musik zwischen Renaissance und Frühbarock, obwohl sie mit dem Erlebten längst nicht ausgelotet ist! Ein weiterer Schwerpunkt in Regensburg war der Hochbarock, die Musik des 18. Jahrhunderts. Zumindest zwei herausragende Konzerte seien genannt und gelobt. Bei dem einen, am Abend des Pfingstmontags, kündete sich das Überbordende, das Prächtige bereits im Titel an: „Corellimania“ nannte das Orchester Harmonie Universelle seinen Auftritt am Abend des ersten Pfingsttages, und es war ein Geist der Pracht und der Fülle, der sich aus den Himmeln der Musik ergoss. Die Continuogruppe war groß besetzt – zwei Cembali sorgten für wogenden, flirrenden Untergrund, dazu Theorbe und Harfe(!) – und – als besonderer Clou – ein Trio aus zwei Trompeten und einer Posaune, das den Tuttistellen der üppig besetzten Streicherformation noch einmal ein paar edle Klangpfunde hinzufügen konnte. Diese Aufhübschung lässt sich zwar nicht in den Originalstimmen der Werke nachweisen, aber Zeitgenossen Corellis berichten von dieser Praxis, warum also nicht, wer hat, der hat. Und so entfaltete sich in der frisch renovierten Dreieinigkeitskirche ein Barockrausch erster Güte in den Concerti grossi von Corelli, Vivaldi, Locatelli, Geminiani und Mossi – überbordend, aber stets phrasiert, klangprächtig tönend, aber durchaus auch mit vielschichtigen Schattierungen in den leisen Passagen. Besser kann man diese Musik nicht machen! Das kann man auch vom zweiten Regensburger Großereignis hochbarocker Art behaupten: Nicht Italien, sondern Dresden hatte sich das Orchester Les Ambassadeurs zum Festivalabschluss am Pfingstmontag verschrieben. Auf dem Programm Konzerte von Pisendel, Quantz, Telemann, Zelenka, Heinichen und wieder Vivaldi. Motto: „Per l’Orchestra di Dresda“. Diesen Satz schrieb einst Antonio Vivaldi über sein Concerto per molti instrumenti (RV 577), das er dem damals berühmtesten Orchester der Welt im Elbflorenz widme- te. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts lockte der sächsische Hof, unter anderem unter August dem Starken, die besten Musiker der Welt nach Dresden, und diesem Orchester wurden schon damals Werke gewidmet. Unter der (zuweilen etwas überenthusiastischen) Leitung von Alexis Kossenko entfaltete ein sattes Streicherorchester auch hier all seine Pracht, gekrönt von zwei Hörnern, dem Markenzeichen des Dresdner Klanges von damals. Zwei Großereignisse, die noch lange nachklingen werden! Leider waren die Mikrofone des Bayerischen Rundfunks jeweils nicht dabei, aber von beiden Programmen gibt es Werke auf Tonträger (Harmonie Universelle: Corellimania – Accent ACC 24298 / Les Ambassadeurs: Vivaldi – Concerti per l’Orchestra di Dresda – Alpha ALP 190 ). Fazit 2015: Was Regensburg und die Alte Musik angeht, so steht nur zu hoffen, dass es einfach so bleiben soll, wie es ist. In diesem Falle gilt ungekürzt: Gott mit Dir, du Land der Bayern …. Les Ambassadeurs in der Dreieinigkeitskirche

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