Tage Alter Musik – Almanach 2016

Musik: C.P.E. Bach, Sinfonie Finale So rasant und temperamentvoll klang ge- stern abend in Regensburg der Schluss-Satz aus der Hamburger Sinfonie h-moll von Carl Philipp Emanuel Bach beim umjubelten Deutschland-Debüt des französischen Pul- cinella Orchestra, geleitet von der Cellistin Ophélie Gaillard. Und wer diese Musik so hinreißend spielt, der muss schlicht verliebt sein in Carl Philipp Emanuel Bach. ” O-Ton Ophélie Gaillard: „Ich bin schon seit neun Jahren in ihn ver- liebt, ich mag diese Musik so gern, das ist ganz extrem, ganz exzen- trisch, das ist unglaublich überra- schend. In einem Augenblick kann man sehr zart, sehr fein, sehr piano spielen und dann gibt es eine Unterbrechung, und dann ist es ganz anders, dann ist es ganz rasch und feurig.“ Und dass Ophélie Gaillard nicht nur die feu- rigen Töne beherrscht, sondern auch die zar- ten und feinen, das bewies sie gestern abend im langsamen Satz von Carl Philipp Emanuel Bachs Cellokonzert in A-Dur, wo sie ihr In- strument ganz beseelt, ganz innig zum Sin- gen brachte – eine echte Festival-Sternstunde. Musik: C.P.E. Bach, Cellokonzert langsa- mer Satz Traumhaft schön – das Largo aus dem Cel- lokonzert in A-Dur von Carl Philipp Ema- nuel Bach, gespielt von Ophélie Gaillard und ihrem Pulcinella Orchestra gestern abend bei den Tagen Alter Musik in Regensburg. Rechtzeitig zum Festival hat das Ensemble übrigens auch eine neue CD herausgebracht, mit Sinfonien und Konzerten von Carl Phil- ipp Emanuel Bach. Mein Kollege Dirk Kruse hat sie unter die Lupe genommen – und ist begeistert. Kostprobe: C.P.E. Bach „Carl Philipp Emanuel Bach war der leibli- che Sohn von Johann Sebastian Bach und der geistige Vater von so bedeutenden Kom- ponisten wie Wolfgang Amadeus Mozart, Joseph Haydn und Ludwig van Beethoven. Und die bekannten sich auch zu ihm, wie dieses Zitat von Haydn bekundet. „Wer mich gründlich kennt, der muss finden, dass ich dem Emanuel Bach sehr vieles verdanke, dass ich ihn verstanden und fleißig studiert habe.“ Mozarts Lob für Carl Philipp Emanuel Bach war sogar noch nachdrücklicher. „Er ist der Vater; wir sind die Bub’n. Wer von uns was Rechts kann, hat es von ihm gelernt.“ Nun kann man das umfangreiche Werk des erfolgreichen Bach-Sohnes, das mehr als tausend Kompositionen umfasst, auf unter- schiedliche Weisen interpretieren. Etwa in- dem man mehr das barocke Erbe betont, oder indem man stärker den Vorläufer der Wiener Klassik akzentuiert. Die dritte Mög- lichkeit aber, und die halte ich für die span- nendste, ist es, Carl Philipp Emanuel als Komponisten des Sturm und Drang aufzu- fassen. Die französische Cellistin Ophélie Gaillard und das 2005 von ihr gegründete Originalklangensemble Pulcinella gehen ge- nau diesen Weg. Bachs empfindsamer, beinahe nervöser Stil, der eigentlich mehr auf die Romantik als auf dieWiener Klassik hindeutet, ist voller Erup- tionen, Affekte und Brüche, mal lyrisch, mal dramatisch, meist alles zusammen. So dyna- misch und so voller Überraschungen wie das Pulcinella Orchester hier die 3. Streichersin- fonie in C-Dur aus dem Jahr 1773 präsen- tiert, hat man das Werk noch selten gehört. Auch dass Carl Philipp Emanuel Bach die musikalischen Formen etwa der Symphonie und der Sonate weiterentwickelt hätte, kann man zwar häufiger lesen, aber nicht auf jeder Aufnahme hören. Hier schon. Die glänzende Ophélie Gaillard, die sich etwa in Bachs D-Dur-Sonate statt einer Gambe für ein Violoncello piccolo entscheidet, was sehr gut der Stimmlage der Gambe entspricht, spielt ihr Instrument lyrisch-singend, nuancen- reich im Klang und mit temperamentvollen Ausbrüchen. Die Musik Carl Philipp Emanuel Bachs erlebt seit seinem 300. Geburtstag vor zwei Jahren ein kleines Revival und ist in zahlreichen Neueinspielungen zu entdecken. Aber diese CDmit Ophélie Gaillard und dem Pulcinella Orchester bereitet schon ein besonderes Ver- gnügen. Voller Energie, Spielfreude, Präzi- sion, Einfühlungsvermögen und Klang- schönheit wird musiziert. Carl Philipp Ema- nuel Bach erscheint hier als Stürmer und Dränger, als Erweiterer der kompositori- BR Klassik 14 Zefiro Foto: Hanno Meier Ausstellung Foto: Hanno Meier

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