Tage Alter Musik – Almanach 2016

Fese auf den Köpfen und die kräftigen ange- klebten Schnurrbärte - und Alfredo Bernar- dini hat seinen allerdings beim Spielen auch gleich wieder verloren. Er hat wahrscheinlich also sehr temperament- voll gespielt. G UDRUn P ETRUSCHKA : Ja hat er. Wie kam denn das Konzert beim Publikum an?“ G UDRUn P ETRUSCHKA : „Es kam sehr gut an, und ich hab mich danach noch mit einem Zuhörer unterhalten, da können wir kurz reinhören: GP: „Jetzt wars leider in der Kirche und nicht Freiluft, schade?“ Z UHöRER : „Ach, mir hat‘s in der Kirche ge- nauso gut gefallen, das war super, das Kon- zert“. GP: „Und was hat Ihnen besonders gefallen?“ Z UHöRER : „Die Donizetti- und Rossini-Sa- chen, die man sonst bei ‘Tage Alter Musik‘ nicht hört, ist einfach eine wahnsinnig schmissige, einfache Musik und trotzdem geht’s total auf.“ GP: „Und der Beethoven ist wahnsinnig un- gewöhnlich gewesen, für einen Beethoven.“ Z UHöRER : Ich selber spiel in einer Blaska- pelle, und da ist es dann Routine, was da heute war, sozusagen. Also Marsch, Polo- naise und was war das dritte gleich wieder? Ecossaise, ja, das war Volksmusik im besten Sinne“. GP: „Und was spielen Sie?“ Z UHöRER . „Kleine Trommel, ich war also ganz beheimatet heute in diesem Konzert.“ GP: „Gut, dankeschön!“ Eindrücke vom Konzert des Ensembles Ze- firo hier bei den Tagen Alter Musik Regens- burg – vielen Dank, Gudrun Petruschka, dass Sie dort gewesen sind und uns Ihre Ein- drücke mitgebracht haben. Ja, wir haben das Konzert leider nicht aufzeichnen können, aber damit Sie trotzdem einen kleinen Ein- druck davon bekommen, hier ein Stück von der CD des Zefiro Ensembles, und zwar mit einemMarsch von Giuseppe Donizetti. Der war der Bruder von Gaetano Donizetti und Hofkapellmeister in Konstantinopel. Musik: Donizetti, Marcia di Mahmoud Das war ein Marsch für den Sultan Mah- moud, komponiert von Giuseppe Donizetti und gespielt vom Ensemble Zefiro. Musik von der Romanik bis zur Romantik gibt es zu hören bei den Tagen Alter Musik Regens- burg, und dabei beweisen die beiden Festi- valleiter Ludwig Hartmann und Stephan Schmid immer wieder ein gutes Näschen für die neuesten Trends der Alten Musik. Viele, die in Regensburg ihr Deutschland-Debüt gegeben haben, sind danach groß rausge- kommen. Gestern abend in der Dominikan- erkirche war wieder so ein Geheimtipp zu Gast: das amerikanische Vokalensemble Cut Circle mit Musik der Renaissance. Ensem- bleleiter Jesse Rodin, der sich auch als Mu- sikforscher einen Namen gemacht hat, wagte dabei ein aufführungspraktisches Experi- ment: ” O-Ton Jesse Rodin: Bei der Messe von Guillaume Dufay gehen wir das Risiko ein, aus einem einzi- gen großen Chorbuch zu singen. Wir rekonstruieren das, was für mich der wichtigste Aspekt bei der historisch informierten Auffüh- rung ist: die physische Nähe der Sänger. Wir kommen gerade aus Frankfurt, wo wir am Max- Planck-Institut an einem For- schungsprojekt gearbeitet haben. Wir haben dort Teile unseres Konzertprogramms in drei unter- schiedlichen Aufstellungen gesun- gen. Im Halbkreis, in Reihen auf- gestellt und dann die interessan- teste, bei der wir ganz nahe zu- BR Klassik 18 Stichwort Regensburger Domspatzen Als wir jüngst in Regensburg waren“ – das alte Volkslied aus demÖs- terreichisch-Süddeutschen ist eine Art tönender Visitenkarte der Re- gensburger Domspatzen, zumal auf ihren Konzertreisen, die sie schon rund um den ganzen Erdball führten. Durch ganz Europa sind sie getourt, durch Nord- und Südamerika, nach China und Japan, nach Südafrika, nach Kuwait und auf die Philippinen. Zum „Kultu- rellen Botschafter von Europa“ wurden die Domspatzen dafür er- nannt, zum „UNICEF-Botschafter“ der Welt. Chorgesangs-Kultur von der Gregorianik bis zur Postmoderne – aus Regensburg für die Welt. Die Regensburger Domspatzen. Sie sind wohl der älteste Knabenchor überhaupt, mit einer Tradition, die ins Mittelalter zurückreicht – ins Jahr 975, als Bischof Wolfgang von Regensburg eine Domschule ins Leben rief. Eine wechselvolle Geschichte folgte – etwa während des Dreißigjährigen Krieges, als der Chor unter der schwedischen Besatzungsarmee in evangelischen Gottesdiensten sang. Ein anderer „Knotenpunkt“ fällt in das Jahr 1810, als das Fürstentum Regensburg an das Königreich Bayern ging. Der einprägsame Name „Regensbur- ger Domspatzen“ etablierte sich erst viel später – im Jahr 1910, nach der ersten Auslandsreise des Chores, die nach Prag führte, wo die deutschsprachige Presse das Wort von den „Domspatzen“ prägte. Da- mals stand der Chor unter der Ägide von Franz Xaver Engelhardt. Ihm folgten zwei Domkapellmeister, die dann über Jahrzehnte die Regensburger Domspatzen prägten und ihnen zu Weltruhm verhal- fen: von 1924 bis 1963 Theobald Schrems, von 1964 bis 1994 der Papstbruder Georg Ratzinger. In die Ära Schrems-Ratzinger fallen auch der sexuelle Missbrauch und die brutalen Misshandlungen vieler Chorknaben, die jene große, glorreiche Tradition der Institution düster überschatten. „Das, was passiert ist“, bekennt der derzeitige Domkapellmeister Roland Büch- ner, „tut uns allen weh, aber wir dürfen nicht stehen bleiben, wir müs- sen das aufarbeiten, und es muss alles dokumentiert werden, wahr- scheinlich später mal in einem dicken Buch. Nur, wir müssen das eine tun, dürfen aber den Tag nicht vergessen. Das ist ganz klar.“ Seit 1994 ist Büchner Domkapellmeister und Leiter der Regensburger Domspatzen. Verstärkt hat er den Chor in seiner Amtszeit dem ora- torischen Fach zugewendet. Neben der Gregorianik, den Kirchenlie- dern, Madrigalen und sonstigen A-cappella-Gesängen gehören nun ebenso die großen orchestralen Chorwerke à la Bach, Händel und Haydn zum festen Repertoire der Domspatzen – auch in Zusammen- arbeit mit Originalklang-Ensembles wie dem Concerto Köln oder der Akademie für Alte Musik Berlin. Regensburger Chorkultur – zeit- gemäß, zeitlos, erstklassig Klaus Meyer über die Regensburger Domspatzen. Sein Stichwort kön- nen Sie wie alle Beiträge aus unserem Radio-Lexikon der Alten Musik nachhören und als Podcast herunterladen unter brklassik.de/tafelcon- fect. Es ist Tradition bei den Tagen Alter Musik in Regensburg, dass die Domspatzen das Eröffnungskonzert bestreiten. In diesem Jahr stand die Paukenmesse auf dem Programm, die Joseph Haydn zur Zeit der Koalitionskriege gegen Frankreich schrieb. Die Bitte um Frieden, die Haydn in seiner Musik gegen das bedrohliche Paukengrollen setzt, er- scheint heute wieder besonders aktuell.

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