Tage Alter Musik – Almanach 2016

aber er fokussiert sich eher auf Shakespeares Figuren, die sehr fantasievoll sind, überna- türlich: die Hexen, die Feen, Ariel aus dem „Tempest“, und diese Kreaturen, die fliegen konnten und die sehr einfallsreich, farbig sind. Das gibt natürlich Linley als Komponist sehr viele Möglichkeiten in die Höhe zu flie- gen. Und dem Sopran auch… Also eine herausfordernde Partie! Wie sind Sie denn auf das Stück gestoßen und was faszi- niert Sie daran? J OnATHAn S ELLS : Meret Lüthi, die Konzert- meisterin von Les Passions de l’Ame, hat die- ses Jubiläum im Voraus gesehen, dass Sha- kespeare’s 400. Todestag kommt 2016. Und sie hat überall geschaut, was über Shakes- peare geschrieben wurde, gerade in der Ba- rockzeit, und hat dieses Stück ausgegraben, und ich hab‘s damals gar nicht gekannt. Me- ret Lüthi erwartet jetzt gerade ihr zweites Kind, kann leider nicht spielen, ihr Orches- ter nicht leiten und da springt natürlich Julia Schröder ein, darüber sind wir auch ganz froh. Wie kann man sich dieses Konzert heute Abend vorstellen, ist das ein normales Kon- zert oder ist das ein bisschen inszeniert? J OnATHAn S ELLS : Also Solomon’s Knot singt in der Regel auswendig, auch wenn wir grö- ßere Stücke aufführen wie den „Messias“ oder andere größere Oratorien mit unseren eigenen Musikern in England. Da fühlen wir uns sehr viel freier. Der Kontakt zum Publi- kum ist viel spannender und näher, wenn wir nicht diese Noten vor uns haben, und dann können wir uns frei bewegen im Raum, wir können frei improvisieren. Wir sind also in der Lage, uns frei innerhalb be- stimmter Grenzen zu bewegen und zu rea- gieren. Dramatisiert, könnte man sagen, aber vor allem ganz frei im Geist. Also es wird ein Fest für alle Sinne werden. Wir freuen uns auf eine spannende Wieder- entdeckung, vielen Dank Jonathan Sells, dass Sie zu uns ins Studio gekommen sind! Und es gibt noch Restkarten für die Aufführung heute Abend, und damit Sie schon einen kleinen Vorgeschmack bekommen, hier noch ein Aus- schnitt aus dieser Shakespeare-Ode von Tho- mas Linley. Musik: Linley, Nr. 5 aus A Lyric Ode “Be Shakespeare born” – ein Chor aus der Shakespeare-Hommage von Thomas Linley, in einer schon etwas älteren Aufnahme mit den Musicians of the Globe unter Philip Pi- ckett und heute abend ab 20 Uhr neu auf die Bühne gebracht vom Barockorchester Les Passions de l’Ame und dem Ensemble Solo- mons Knot in der Regensburger Dreieinig- keitskirche. Es gibt noch Restkarten an der Abendkasse. Shakespeares 400. Todestag hat den Tagen Alter Musik übrigens noch ein weiteres Musiktheater-Experiment beschert: Am Samstag nachmittag wurde im Neu- haussaal Shakespeares „Sturm“ aufgeführt, und zwar als Kindertheater. Zu Gast war das Berliner „Ensemble sinn&ton“, im Gepäck hatte es unter anderem originale Bühnen- musik zu Shakespeares Stück, und Kinder hatten freien Eintritt. Gudrun Petruschka war für uns vor Ort und hat auch mit einigen von ihnen gesprochen. Reportage Ensemble sinn&ton C HRiSTinE M ARx : „Ich möchte Euch heute eine Geschichte erzählen, die so verrückt ist, dass ich sie selbst kaum glauben kann.“ Christine Marx spielt Miranda, die Tochter des Zauberers Prospero, die in dieser Fas- sung von „The Tempest“, „Der Sturm“ von William Shakespeare, das Geschehen aus ih- rer Sicht erzählt. Marx hat das Shakespeare- ’sche Schauspiel in eine Version für eine Schauspielerin und fünf Musiker umgear- beitet. Kulisse und Kostüme sind sparsam, aber wirkungsvoll. Das Zielpublikum dieser Aufführung sind Kinder ab zehn Jahren. A nTOniA : „Da wurde so ein Zauberer mit seiner Tochter auf eine einsame Insel ver- bannt von ihrem Bruder Antonius, dann ist so ein Schiff auf die Insel gespült worden mit einem König und einem Prinzen.“ Es treten nicht alle Figuren auf, die Shakes- peare in seinem Schauspiel vorsieht – Chris- tine Marx hat sich auf die wesentlichen Charaktere beschränkt. Die Musiker verkör- pern die einzelnen Personen, und das mit mal mehr und mal weniger gesprochenem Text. Das musikalische Konzept stammt von der Barockgeigerin Rahel Mai. R AHEL M Ai : „Wir sind assoziativ eigentlich vorgegangen, also, es war ganz wichtig, Cha- rakterstücke zu finden für bestimmte Mo- mente und für die Personen. Wir brauchten den Prospero, wir brauchten den Ariel, jeder hat so sein eigenes kleines Stück vorgestellt, und da wird man einfach bei Purcell sehr fündig. Der ist einfach so ein richtiger Cha- raktermusik- Schreiber.“ Manche Stücke werden traditionell- „nor- mal“ gespielt, manchmal improvisieren die Musiker aber auch, quietschen auf den Gei- gen oder spielen einfach zwei Stücke gleich- zeitig. Und hier zieht gerade der Sturm auf. Da wechselt Rahel Mai, also der Geist Ariel, die Geige gegen ein Regensieb aus. R AHEL M Ai : „Das sind witzigerweise tat- sächlich oft die Stellen, wo in dem Shakes- peare-Text steht, an dieser Stelle soll Musik kommen oder „verworrene Geräusche“, so eine Bühnenanweisung gibt’s zum Beispiel auch. Ich fand das eigentlich einfach ganz spannend, damit herumzuexperimentieren.“ BR Klassik 20 ARD-Radiofestival 2016 Im Rahmen des ARD-Radiofestivals 2016 wurde ein 150-minütiger Beitrag mit dem Titel: „Tage Alter Musik Regensburg: Geistliches und Weltliches“ von folgenden Sendeanstalten ausgestrahlt: SWR, HR, WDR, MDR, NDR, RBB Messen, Kantaten und Motetten von Dufay, Desprez, Schütz und J.S. Bach. Madrigale und Ballate von Gesualdo und Paolo di Fi- renze. Konzerte und Orchestermusik von Lully, Albinoni, Vi- valdi, Händel und C.Ph.E. Bach. Aufnahmen vom 14. bis 16. Mai 2016 aus verschiedenen Kir- chen Zu Pfingsten pilgern Freunde der Alten Musik gern in die UNESCO- Welterbestadt Regensburg. Hier finden alljährlich die „Tage Alter Mu- sik“ statt. Auch in diesem Jahr waren wieder spannende Konzerte von Newcomern zu erleben. So feierte das Gesangsensemble „Cut Circle“ aus den USA hier sein Deutschland-Debüt. Außerdem stellte sich das norwegische Barockorchester „Barokkanerne“ mit einem Bach- und Telemannprogramm vor. Genauso waren renommierte Ensembles zu hören: das European Union Baroque Orchestra spielte unter Leitung von Rachel Podger, der Dresdner Kammerchor und das Dresdner Barockorchester führ- ten unter Hans-Christoph Rademann die „Psalmen Davids“ von Heinrich Schütz auf. Ergreifende Madrigale von Carlo Gesualdo sang die Compagnia del Madrigale. Die Regensburger Altstadt ist reich an historischen Gebäuden, und so fanden sämtliche Konzerte in passend ausgewählten Räumlich- keiten statt: in der mittelalterlichen Minoritenkirche, in der von den Asam-Brüdern gestalteten Basilika St. Emmeram oder in der evan- gelischen Dreieinigkeitskirche aus dem 17. Jahrhundert. Das ARD Radiofestival präsentiert die Highlights.

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