Tage Alter Musik – Almanach 2016

Musik: Bruno Cocset „Les Basses Réunies“, ein Ensemble des fran- zösischen Barock-Musikers Bruno Cocset, mit dem ersten Satz von Antonio Vivaldis Konzert für Violoncello, Streicher und Basso Continuo in H-Moll, Ryom-Verzeichnis 424. Das Soloinstrument war hier aber kein Vio- loncello, sondern eine Tenor-Viola, also ein kleineres Geschwister-Instrument des Cel- los, das eine etwas hellere Klangfarbe hat. Bruno Cocset spielte hier eine fünfsaitige Ausgabe dieses Instruments, das eine zusätz- liche Bass-Saite hat. „Die Weltoffenen“ habe ich mein heutiges Motto genannt. Den eben gehörten Musiker, Bruno Cocset, zähle ich dazu, weil er sich als Spezialist des Barock-Cellos auch anderen Klangfarben geöffnet hat – eben zum Bei- spiel denen der Tenor-Viola –, und weil er mit seinen Aufnahmen auf die Farben-Viel- falt etwa der Musik von Vivaldi hinweisen will. Eine Vielfalt, die größer ist, als es viele populär gewordene Aufnahmen ahnen las- sen. Weitere Weltoffene dieser Sendung wa- ren und sind der baskische Gitarrist Enrike Solinís, der zwischen Barockmusik, Jazz und moderner Folk-Musik vermittelt. Offenheit für andere oder einfach nur unge- wohnte Welten: Das kennzeichnet seit mitt- lerweile über dreißig Jahren die „Tage Alter Musik“ Regensburg, jenes Festival, bei dem man immer an Pfingsten Klänge entdecken kann. Und zwar Klänge aus ganz unter- schiedlichen Phasen der Geschichte – vom Mittelalter bis zur heutigen Zeit. Und dies an besonders stimmigen Orten – in Kirchen und alten Sälen einer Stadt, die an histori- scher Bausubstanz nur schwer zu überbieten ist. „Weltoffen“ finde ich an diesem Festival, dass es sich Musik zum Thema gemacht hat, die eben nicht zum Kanon klassischer Kon- zerte gehörte zu Zeiten, als dieses Festival ge- gründet wurde. Und die heute noch immer nicht alltäglich geworden ist. Man wird dort außerdem immer fündig, wenn man Ensem- bles oder Werke hören will, die man noch nicht auf dem Schirm hatte. Hier etwas, das mich sehr fasziniert. Musik, die von einem Sänger, Theoretiker und Komponisten aus dem späten 14. und frühen 15. Jahrhundert in der Toskana geschrieben wurde. Der Au- tor hieß Paolo da Firenze, und seine Stücke sind wunderschöne mehrstimmige Lieder – zum Beispiel über die Leiden der Liebe. „Ich kann nichts anderes als seufzen, und wün- sche auch nichts anderes; denn woanders hingegangen ist die, die ich zu sehen gewohnt war. Amor durchbohrt mich mit so vielen Liebespfeilen dieser stolzen Dame, dass alle Hilfe mir zu spät kommt.“ So in etwa lautet ein Teil des Textes – und hier die Musik dazu mit dem Club Médieval von Thomas Baeté. Musik: ClubMédieval Hören Sie jetzt das Ensemble von Gitarrist Enrike Solinís mit einer Komposition von Gaspar Sanz, der von 1640 bis 1710 lebte. Musik: Enrike Solinís Musik: Bruno Cocset Noch einmal Bruno Cocset und “Les Basses Réunies“, diesmal mit dem zweiten und drit- ten Satz von Antonio Vivaldis Cellokonzert Ryom-Verzeichnis 424 in H-Moll, wobei das Solo-Instrument hier eine Tenor-Viola ist. Falls Sie sich wundern: Dieses Instrument wird auch gern als Tenor-Violine bezeichnet, im Englischen auch Tenor-Violin. Aber diese Bezeichnung ist eigentlich falsch, da eine Violine ja die kleinere Schwester der Viola ist – und dieses Instrument, um das es geht, eine größere Schwester derselben. Wie auch immer: Es klingt schön. Und war dieses Jahr bei den Tagen Alter Musik in Regens- burg zu entdecken, wie Einiges andere, das ich in dieser Stunde mit dem Motto „Die Weltoffenen“ vorgestellt habe. Für die näch- sten Tage Alter Musik, die wieder an Pfing- sten stattfinden, sollten Sie vielleicht jetzt be- reits Reisepläne schmieden, falls Sie da hin wollen. Ich würde es unbedingt empfehlen, ganz egal, welche Art Musik bisher Ihre Lieblingsmusik ist. Die Alte Musik wird da- zugehören, wenn Sie sie einmal in Regens- burg erlebt haben. Auf Wiederhören beim nächsten Mal, Ihr Roland Spiegel. BR Klassik 23 Les Passions de L'Ame & Solomon's Knot Foto: Hanno Meier

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