Tage Alter Musik – Almanach 2016

Landshuter Zeitung / Straubinger Tagblatt 35 Von den neun Konzerten, die an den letzten beiden Tagen Alter Musik in Regensburg zu erleben waren, hätte jedes eine nähere Be- trachtung verdient. Hier soll der Blick aber auf zwei Konzerte gerichtet werden, die durch ihre Unkonventionalität die stilistische Breite des Festivals beeindruckend erweitert haben: den Auftritt des französischen „Pul- cinella Orchestra“ am Sonntagabend in der Dreieinigkeitskirche sowie den des spani- schen „Euskal Barrokensemble“ am Pfingst- montag im vollbesetzten Neuhaussaal. Das 13-köpfige Kammerorchester „Pulcinella“ widmete sich ausschließlich Carl Philipp Emanuel Bach, dem zweiten Sohn von Jo- hann Sebastian Bach. Obwohl der beim heu- tigen Publikumwohl der bekannteste Spross des Barock-Großmeisters sein dürfte, führen seine Werke im Vergleich zu denen seines Vaters in den meisten Konzertsälen eher ein Mauerblümchendasein. Das ist besonders schade, weil gerade seine Kompositionen in der Entwicklung vom Barock zur Wiener Klassik eine interessante Brückenstellung einnehmen, unter anderem durch die Neu- formung des Sonatensatzes. Das „Pulcinella Orchestra“ unter der Leitung von Thibault Noally zeigte an zwei Konzerten für Violon- cello und Orchester, der Sinfonie Nr. 5 und der Triosonate in c-Moll, etwa, dass diese Werke größere Dynamikkontraste zulassen als noch beim alten Bach. Auch ließ es nicht am Gespür für die kantabilen Melodielinien fehlen, die die kadenzorientierte Stimmfüh- rung derWiener Klassik vorwegnehmen. Die Geschlossenheit des Ensembles verdient ebenfalls Lob. Noch unkonventioneller und fast schon exotisch anmutend war derAuftritt des „Euskal Barrokensemble“. In einer neu arrangierten Fassung von Gitarrist, Lautenist und Ensembleleiter Enrike Solinis führte das Septett Manuel de Fallas „El amor brujo“ auf, in dem dieser bereits 1915 spanische Volks- melodien verwendete, die bis in den Barock zurückreichen. In diesem einaktigen Werk aus viel Rhythmus, Gesang und Instrumen- talstücken vernahm man eine faszinierende Stil- und Klangfarbenvielfalt, die vom feuri- gen Flamenco – leidenschaftlich getanzt von Maria Moreno und mitreißend gesungen von Rocio Márquez – über innige arabische Lau- tenklänge bis zu mitreißenden Komplemen- tärrhythmen reichte. Deutlich waren der Nahe Osten, der südeuropäischeBarock und sogar Bezüge zum heutigen Jazz zu spüren. Die ausdrucksstarken Improvisationen fes- selten. Sie verliehen den Stücken noch mehr Leidenschaft und Spontaneität und wurden auch der barocken Aufführungspraxis ge- recht. Unkonventionell und exotisch Das Pulcinella Orchestra und das Euskal Barrokensemble bei Tagen Alter Musik Von Stefan Rimek Pulcinella Orchestra Foto: Hanno Meier

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