Tage Alter Musik – Almanach 2016

36 Rezensionen und Berichte aus der Mittelbayerischen Zeitung 16 Konzerte machen Regensburg am Wo- chenende im Rahmen der Tage Alter Musik zu einem einzigen Konzertsaal mit Künst- lern und Besuchern aus der ganzen Welt. Es ist eine besondere Atmosphäre, die an den Pfingsttagen über der Altstadt liegt. Und es ist eine gute und schöne Tradition gewor- den, das internationale Festival mit einem Konzert der Regensburger Domspatzen in der Dreieinigkeitskirche zu eröffnen. Daran darf man die Erwartung knüpfen, dass der Auftakt in die vier dichten und in- tensiven Tage hineinwirkt, Impulskraft ent- wickelt und für Gesprächsstoff sorgt. Das ist zweifellos auch mit der Musik von Joseph Haydn möglich. Dennoch stellt sich die Frage, ob mit der Symphonie in C-Dur, Nr. 30, und dem Salve Regina in g-moll, mit denen am Donners- tagabend bei einem Vorkonzert der erste Programmteil bestritten wurde, das Konzert dieser zugedachten Aufgabe gerecht wird. Beides sind gewiss handwerklich gute Kom- positionen. Gelegenheitswerke, mehr aber auch nicht. Feierstunde mit den Domspatzen Dass Domkapellmeister Roland Büchner und das L’Orfeo Barockorchester am Don- nerstagabend auf Original-Instrumenten er- wartungsgemäß eine blitzsaubere und dyna- misch ansprechende Interpretation gelang, spricht natürlich für die Klasse der Ausfüh- renden. Und auch das exquisite Solisten- quartett Yeree Suh (Sopran), Ulrike Mayer (Alt), Uwe Gottswinter (Tenor) und Christof Hartkopf (Bass) war bereit, dem Mariani- schen Antiphon ein Maximum an dynami- scher Gestaltung und Tiefe abzuringen, was die Musik über das Mittelmaß hinaushob. Dennoch blieb zur Pause der Eindruck eines netten, unspektakulären Kirchenkonzerts. Das änderte sich im zweiten Programmteil mit der Missa in tempore belli in C-Dur, besser bekannt unter demNamen „Pauken- messe“. Erst jetzt blüht die Klasse von Papa Haydn richtig auf. Aus der starren und tra- ditionellen Form des Mess-Ordinariums entwickelt er mit groß besetztem Orchester einen Glanz und Farbenreichtum, für den er schon zu Lebzeiten so geliebt wurde. Und endlich waren auch die Domspatzen zu er- leben: Büchner forderte mit plastischen Di- rigat seine Jungs auf, kraftvoll mit den her- vorragenden Bläsern in Korrespondenz zu treten, das Gloria mit seiner großen Schluss- fuge zu zelebrieren und die Auferstehung im Credo zu feiern. Brückenschlag in die Gegenwart Das ist mitreißend und bewundernswert, mit welcher Energie und Freude da gesun- gen wird. Den Solisten blieb – ganz im Stile dieser Musik – die Rolle des edlen Zierats, als Quartett wunderbar homogen, solistisch ohne Ausnahme hervorragend und mit fei- ner Stimmführung. Im Agnus Dei schafft die Musik Haydns sogar den Brückenschlag in die Gegenwart, wenn die Pauke den Klang einer fernen Militärtrommel imitiert und das Flehen nach Erbarmen immer wieder unterbricht. Das trotzig-jubelnde „Dona nobis pacem“ ist auch heute noch für die zuversichtliche Hoffnung auf Frieden zu gebrauchen. So wird die abschließende Aufführung der Haydn-Messe zu einem begeisternden Glanzpunkt, der mit dem blassen Beginn des Abends versöhnte. Das Gefühl einer verta- nen Chance blieb. Das große Ausrufezeichen hinter demAuftakt fehlte. EinMitschnitt des Konzerts wird am Sonntag um 20.05 Uhr im Deutschlandradio Kultur gesendet. Auftakt ohne großes Ausrufezeichen Die Regensburger Domspatzen eröffneten die Tage Alter Musik 2016 – doch der Beginn des Abends blieb blass Von Andreas Meixner, MZ Regensburger Domspatzen und L'Orfeo Barockorchester Foto: Hanno Meier

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