Tage Alter Musik – Almanach 2016

Mittelbayerische Zeitung 40 Wer am Samstagabend nach dem Konzert des Dresdner Kammerchores mit dem lan- gen Strom der Konzertbesucher in die Mi- noritenkirche pilgerte, musste sich in der Hörgewohnheit erstmal gehörig umstellen. Die Madrigale von Carlo Gesualdo da Ve- nosa sind keine leichte Kost. Die Grundlage in der Vokalpolyphonie des 16. Jahrhunderts wird durch unerwartet kühne Harmonien, chromatischen Linien und expressiven Aus- druck immer wieder gebrochen. Lautmale- risch sucht die Komposition den direkten Schulterschluss mit der dramatischen Lyrik von Liebe, Tod und Vergänglichkeit. Das ir- ritiert und fordert Zuhörer genauso, wie es den Künstlern viel abverlangt. Die sechsköpfige italienische Formation „La Compagnia del Madrigale“ zählt hierfür si- cher zu den Spezialisten, hinterließ aber mit der Aufführung einer Auswahl aus den Ma- drigalbüchern einen zwiespältigen Ein- druck. Das lag nicht am enormen Gestal- tungswillen. Eher waren es handwerkliche Defizite in Form von Intonationstrübungen und fehlender Exaktheit beim Beginn und Abschluss von Phrasen. Auch war die Ba- lance unter den Stimmgruppen nicht immer in dem ausgewogenen Gleichgewicht, das man von den Spitzenmusikern erwarten durfte. Das alles führte dazu, dass die ohne- hin schon enge und vertrakte Harmonik an vielen Stellen dünn und wackelig wirkte. Das hinderte das Ensemble aber nicht daran, auch zu berückend schönen Momenten zu finden, wenn etwa im Madrigal „Al mio gioir il ciel si fa sereno“ die lachenden Vögel oder in „Il sol qual or piú splende“ die Flam- men der Sonne imitiert werden. Liebeslieder wie „O dolce mio tesoro“ waren von gran- dioser Intensität und machten die nächtliche Begegnung mit der außergewöhnlichen Mu- sik des italienischen Fürsten und Komponis- ten zweifellos lohnenswert. Es blieb ein zwiespältiger Klangeindruck In der nächtlichen Regensburger Minoritenkirche forderte die Musik von Carlo Gesualdo da Venosa alle Sinne Von Andreas Meixner, MZ Barockmusik, betörend schön gespielt Das European Union Baroque Orchestra unter Leitung von Rachel Podger brillierte in der Basilika St. Emmeram in Regensburg. Von Claudia Böckel, MZ Das European Union Baroque Orchestra, ein Eliteensemble der EUmit Mitgliedern aus zehn Nationen, wird dieses Jahr von der Geigerin Rachel Podger geleitet. Mit ihr begab man sich auf einen Parcours durch die Welt barocker Concerti grossi. Lully, der Italiener in Versailles, machte den Anfang, Ouvertüre und Tanzfolge aus seiner Oper Phaéton klangen federnd und schwingend. Aus Italien kommend entwi- ckelte sich mit dem 18. Jahrhundert der neue Typus der Instrumentalmusik, der Solo und Tutti gegenüberstellt. Konzerte also standen im Mittelpunkt, mal mit mehr, mal mit weniger Solisten am Start. Albinonis Concerto a cinque war witzig, leicht und spielerisch, Händels Concerto grosso op. 3 mit immer wieder anderen Solisten, sein Alexanderfest mit einer So- listengruppe aus zwei Violinen und Vio- loncello, betörend schön gespielt. Vivaldis L´Estro armonico op. 3, seine harmonische Eingebung quasi, setzt an 12. Stelle ein Violinkonzert mit allem, was man so von ihm kennt: aufsehener- regende Arpeggien, darunter bellende Violen, rasante Spielfiguren, prägnante Rhythmik. Rachel Podger brillierte. Ein glänzendes kleines Werkchen von van Wassenaer komplettierte den Reigen die- ser Concerti, die allesamt mit Spielfreude, Verve und auch Präzision dargeboten waren. Das European Union Baroque Orches- tra brillierte bei den Tagen Alter Musik in der Basilika St. Emmeram Foto: altrofoto.de Enrike Solinis & Rocio Marquez Foto: Hanno Meier La Compagnia del Madrigale Foto: altrofoto.de

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