Tage Alter Musik – Almanach 2016

56 Regensburg. Fünf Deutschlandpremieren, ein Kinderkonzert und die Wiederauffüh- rung eines selten gespielten Meisterwerks: Mit einer Reihe von Höhepunkten ließen die 32. Tage Alter Musik Regensburg das Pfingst-Schmuddelwetter vergessen. Den Auftakt gestalteten wieder die Regensburger Domspatzen zusammen mit dem L'Orfeo Barockorchester. Joseph Haydns Pauken- messe setzte schon zu Beginn des Festivals einen vielversprechenden und glanzvollen Akzent. Eine musikalische Sternstunde erlebte das Publikum am Samstag- abend in der Dreieinigkeitskir- che, als der Dresdner Kammer- chor zusammen mit dem Dresdner Barockorchester und einer hochkarätigen Solis- tenriege die „Psalmen Da- vids“ von Heinrich Schütz präsentierte. Die Ausfüh- rung war nahezu perfekt – einzig in der dynamischen Bandbreite hätte man sich gelegentlich etwas mehr Mut zum Forte gewünscht. Große und solis- tische Besetzung, Doppelchörigkeit im Stil der Venezianer – all das ergab einen ab- wechslungsreichen und festlichen Konzert- abend. Traditionell an Spezialisten wenden sich die Nachtkonzerte: Meist in kleiner Besetzung laden sie in Schotten-, Minoriten- oder Do- minikanerkirche zu eher meditativen Pro- grammen ein. Am Sonntagabend standen Werke der frühesten Vokalpolyphonie auf dem Programm. Das amerikanische Ge- sangsensemble Cut Circle spannte unter dem Motto „My fair Lady“ den Bogen vom höfischen Minnegesang zur Ma- rienverehrung und zeigte hier zwei unterschiedliche Gesichter. Die geistliche Musik wurde klar und mit wenig bewegter Stimme interpretiert und bot so die Möglichkeit, die – für heutige Ohren fremdartige – frühe Mehrstimmig- keit nachzuvoll- ziehen. Dagegen wurde bei den weltlichen Lie- dern derart stark forciert, dass der Zusammenklang und oft auch die In- tonation litt. Ange- sichts der Tatsache, dass diese Literatur sehr selten zu hören ist, wurde hier eine Chance vertan. Ein Kontrast dazu war das Programm „Har- moniemusik und Türkenmode – Bläsermu- sik um 1800” mit dem Ensemble Zefiro aus Italien amMontagvormittag in der Oswald- kirche. Hier kam keine Langeweile auf, was auch an der Besetzung mit Bläsern und Schlagwerk lag. Mit Trommel, Triangel und Trompete ging es von Wolfgang Amadeus Mozart über die Haydn-Brüder Joseph und Michael, Ludwig van Beethoven und Gioac- chino Rossini bis zu Felix Mendelssohn-Bar- tholdy. Die Programmgestaltung wechselte klug zwischen Stücken mit und ohne Schlag- werk ab, die Ausführung war souverän und zeigte das breite Klangspektrum der histori- schen Blasinstrumente aufs Schönste. Auch beimNachmittagskonzert am Pfingst- montag im Neuhaussaal stand das folkloris- tische Element im Mittelpunkt, als Manuel de Fallas Suite „EI Amor Brujo 1715 – der Liebeszauber” gespielt wurde. Das Arrange- ment stammte von dem Gitarristen Enrike Solinis, der mit seinem Euskal Barrokensem- bles aus Spanien angereist war. Solinis hatte das große Orchesterwerk ins Kleinformat mit Violine, Kontrabass, Gitarre, Schlagwerk, Ge- sang und Tanz übertragen. Der Bezug zu den historischen Originalen wurde so leider eher noch verschleiert als offen gelegt. Dennoch wurde der Nachmittag zu einem großen Er- folg, was nicht zuletzt an der virtuosen und konzentrierten Darbietung der TänzerinMa- ria Moreno und am intensiven Gesang von RocioMarquez lag. Das Publikum feierte den spanischen Nachmittag frenetisch. Les Basses Réunies mit ih- rem Leiter Bruno Cocset spürten der Seelenver- wandtschaft von Bach und Vivaldi nach. Foto: Patrick Le Galloudeck 18. Mai 2016 // Autorin: Mechtild Angerer Mit Pauken und Trompeten Sternstunden, Entdeckungen und Premieren gab's bei den Tagen Alter Musik

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