Tage Alter Musik – Almanach 2016

60 800 Jahre klingende Musikgeschichte Nüchterne Entscheidungen haben manch- mal sehr lange Auswirkungen. Das von Kai- ser Konstantin nach Nicäa einberufene Kon- zil legte im Jahr 325 das Osterdatum auf den ersten Sonntag nach dem ersten Frühlings- vollmond fest. Nach diesem Datum richten sich folglich fast alle anderen beweglichen Feiertage im Kirchenjahr. So fiel fast 1700 Jahre später das Pfingstfest Anno Domini 2016 auf die Eisheiligen Servatius, Bonifatius und Sophia. Und die machten ihrem Ruf alle Ehre. Das für den Innenhof des Thon-Dittmer- Palais angesetzte Freiluftkonzert, die Sere- nade des Pfingstmontags, musste in die St.- Oswald-Kirche verlegt werden. Und neben der Musik vereinte dieses Mal eine Geste alle Musiker: Man blies sich in die Fäuste oder rieb sich die Hände. Der eiskalte Wind pfiff von der Donau durch Regensburgs mittelal- terliche Gassen und trieb das Publikum in die meist schon Monate vorher aus- verkauften, sechzehn Konzerte. Doch dort wurde es der Zuhörerschaft schnell warm ums Herz. Wieder führten die 32. Tage Alter Musik Re- gensburg durch eine musikalische Zeit- spanne, die dieses Jahr 800 Jahre umfasste. Der Konzertreigen beinhaltete höfische Mu- sik aus dem Prag des Jahres 1300 oder des vi- zeköniglichen Neapel im 17. Jahrhundert, Werke des Abtes Paolo aus Florenz, Carlo Gesualdos, Guillaume Du Fays, Heinrich Schützens, Anthony Holbornes, Händels, vanWassenaers, Lullys, Telemanns, Vivaldis, Johann Sebastian Bachs und seines genialen Sohnes Carl Philipp Emanuel über Haydn, Mozart, Linley, Rossini, Donizetti, Beetho- ven und Mendelssohn Bartholdy bis zu den zwischen Vergangenheit und Moderne hin und her oszillierenden Klängen aus dem Spanien eines Sanz’, Kapsbergers, Rodrigos oder Manuel de Falla. Man gab alles. Man ging bis zum Letzten. Das Regensburger Festival, laut Goldberg eine der fünf renommiertesten Veranstal- tungen in der Welt der Alten Musik, fordert dies heraus, fordert dies von den Künstlern. Und diese fordern es von sich selbst. Das ist für mich auch Grund genug, in diesem Jahr den Begriff „Höhepunkt“ an dieser Stelle nicht zu verwenden; es waren viele Höhe- Verzauberte Welten // Toccata 84/2016 // Autor: Robert Strobl Pulcinella Orchestra Foto: Hanno Meier

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