Tage Alter Musik – Almanach 2016

Melancholicus“ von Carl Philipp Emanuel Bach. Solistin war Ophélie Gallard, das Or- chester das Pulcinella Orchester aus Frank- reich und die musikalische Leitung lag eben- falls bei Ophélie Gallard. Sie spielte sowohl mit Biss als auch mit gro- ßer Tiefe, mit einer technischen Klasse, die einem Fürchten macht. Probleme? Ha, wel- che Probleme! Das war allererste Qualität; und bei einer derartig gut aufgestellten Truppe kann einfach nichts schief gehen, auch wenn einem die Saite reißt oder man falsch umblättert. Ophélie Gallard entlockte ihrem Instrument, das mir mehr ihr Partner als das zu dominierende Objekt scheint, in jeder Form der Dynamik sowohl warme, eindringliche als auch ungemein virtuose Töne. Und das Orchester konnte ihr hier mühelos und in herausragender Weise fol- gen. Der Dominikanerorden wurde vor 800 Jah- ren vom Papst bestätigt. Eine zentrale Aus- stellung läuft noch bis zum 15. August 2016 im ehemaligen Dominikanerkloster zu Re- gensburg, in dessen Kirche St. Blasius, der größten Bettelordenskirche Süddeutsch- lands, das US-amerikanische Ensemble Cut Circle Werke von Guillaume Du Fay vor- trug. Wieder waren es acht Sängerinnen und Sänger, die Zahl acht (die Zahl der früh- christlichen Himmelssphären) zog sich wie ein roter Faden durch das Festival des Jahres 2016. Neben Du Fay hörte man auch Werke von Desprez, Ockeghem, Busnoys und Jos- quin, also spätmittelalterliche Musik, die von den Ausführenden intonationsrein und mit überzeugendem Gesamtklang vorgetragen wurde. Ein interessantes Detail war die Auf- stellung zur Missa Ecce ancilla Domini Du Fays: Die Gruppe drängte sich, ähnlich den Darstellungen von mittelalterlichen Scholae, vor einem großen Notenpult, auf welchem eine einzige, jedoch überdimensionierte Par- titur lag, welche der Ensembleleiter Jesse Ro- din dann jeweils umblätterte. Ein Bild des bebrillten Johannes Ockeghem, aus den „Chants royaux sur la Conception couronée du Puy de Rouan (1519–1528, folio 58)“, und seiner siebenköpfigen Gesangstruppe vor ei- nem ähnlichen Notenpult, fand sich im wie- der sehr informativen Programmheft des Gesamtfestivals. Darf Kunst provozieren, ja, muss Kunst pro- vozieren? Im Falle des Anthony Holborne haben wir es bereits geschildert. Der löckte wider die Spanier. Alfredo Bernardinis Ze- firo lockte in die Montagsmatinee in die St.- OswaldKirche und löckte wider die Marschmusik, charmant, humorig, feinsin- nig. Denn Harmoniemusik und Türken- mode, Bläsermusik für Hof, Kirche und Mi- litär um 1800, standen auf dem Programm. Das war aber weniger „Tschingderassa- bumm“ als Harmoniemusik vom Feinsten, köstlich vorgetragen und zelebriert. Als Komponisten zeichneten immerhin Johann Michael Haydn und sein großer Bruder Jo- seph, Wolfgang Amadé Mozart, Gioacchino Rossini, Gaetano Donizetti und sein zu Leb- zeiten (und zu heute kontrastierend) viel be- rühmterer Bruder Giuseppe, der Hofkom- ponist in Konstantinopel war, Friedrich Witt, Ludwig van Beethoven und schließlich Felix Mendelssohn Bartholdy. All diese schufen Musik für das Instrumentarium der Harmoniemusik, unter der man Oboen, Klarinetten, Hörner und Fagotte verstand. Janitscharenmusik wiederum verfügte über Toccata 64 Litfasssäule an der Eisernen Brücke Foto: Ludwig Hartmann

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