Tage Alter Musik – Almanach 2017

Musik: La rotta estampie, piva, Saltarello – die Namen der mittelalterlichen Tänze mögen uns noch ei- nigermaßen bekannt sein, bei den zugehö- rigen Schrittfolgen sieht es schon ganz an- ders aus. aber das ist kein problem: seit Samstag weiß ich, dass man zu mittelalter- lichen melodien auch ganz einfach zum Bei- spiel Samba tanzen kann. Verantwortlich für diesen aha-effekt ist das ensemble Les Haulz et les Bas, das sich für seinen regens- burger auftritt mit fünf Jazzmusikern zu- sammengetan hat, um alte melodien in ein neues gewand zu kleiden. Vor der Sendung haben mich die mittelalter-Spezialisten Ge- sine Bänfer und ian Harrison und ihr Jazz- Kollege Mike schweizer im regensburger Studio besucht, und ich habe sie gefragt, wie man denn auf die idee kommt, mittelalterli- che musik mit Balkan-Beats zu kombinieren oder zu verjazzen. G esine B änfeR : „Es ergibt sich irgendwie von selbst, wenn man die Musik so lange spielt, dann hört man ja auch was Anderes mit. Ich liebe Melodien, ich bin einfach ein melodi- scher Mensch, also die lassen mich nicht mehr los, die verfolgen mich richtig. Und dann fängt das plötzlich an, dann kommt ein Rhythmus dazu. Meistens ist das dann so der Prozess: Ich selber arrangiere nicht, aber ich habe manch- mal so Ideen für Stücke, wo ich denke, das stelle ich mir so und so vor. Unsere Jazzkolle- gen aus Freiburg, die wir ja schon sehr lange kennen - da bietet es sich einfach an, sie zu fragen, ob sie Lust haben mitzuspielen.“ i an H aRRison : „Also Gesine hat schon er- wähnt, unser Gitarrist Thomas Bergmann ist ein begnadeter Arrangeur und hat mittelal- terliche Musik gespielt. Sehr oft habe ich zum Beispiel ein Stück aus einer Handschrift ediert und habe ihm dann das Rohmaterial gegeben, und Gesine hat dann gesagt: Mike, in diesem Stück höre ich eine Samba, oder einen Balk- anrhythmus, oder einen Blues, oder wie auch immer. Dann hat er die Noten und die Blues- Idee genommen und daraus ein Arrangement gemacht. mike Schweizer, Sie sind Jazzsaxophonist. War das eine ganz neue Welt, in die Sie da eingetaucht sind? M ike s cHweizeR : „Die war für mich nicht ganz neu, weil ich vor 20 Jahren schon einmal in einer Gruppe mitgespielt hatte, als Schlag- zeuger, die mittelalterliche und Renaissance- musik gemacht haben, insofern war die Musik nicht ganz neu, nur mit dem Saxophon diese Musik zu spielen war für mich ganz neu.“ es sind ja auch melodien aus einer Zeit, in der es noch gar kein Dur-moll-System gege- ben hat; wie geht man denn mit diesen me- lodien um, wenn man sie in ein neues ar- rangement kleidet? M ike s cHweizeR : Das war witzigerweise für uns alle sehr vertraut, denn es gibt auch im Modern-Jazz eine Aufhebung des Dur-Moll- Systems. Was überraschend für uns Jazzmu- siker war: dass es so viele rhythmische Ge- meinsamkeiten gibt, das haben Sie vorhin schon mal angedeutet. Ich hör ein Stück, das Gesine und Ian spielen, und ich hör drin einen Samba, auch wenn noch gar kein Samba- rhythmus dran ist. Ich hör das einfach, weil ich immer einen Rhythmus impliziere in mei- nem Kopf, selbst wenn kein Schlaginstrument da ist. BR Klassik 22 Ensemble Alia Mens Foto: Hanno Meier

RkJQdWJsaXNoZXIy OTM2NTI=