Tage Alter Musik – Almanach 2017

mich im regensburger Studio besucht und mir erklärt, warumHidalgo eine so zentrale Figur der europäischen Kulturgeschichte ist. a lBeRt R ecasens : Er ist einer der wichtig- sten Komponisten unserer spanischen Musik- geschichte, er hat die spanische Oper, die Zar- zuela, begründet. Er hat wie kein anderer die Essenz der Sprache begriffen – aber er ist nicht bekannt genug. Wir müssen erst seinen Wert wiederentdecken. t HoRsten P Reuss : Weltliche spanische mu- sik verbindet man heute automatisch mit gi- tarrenklängen und perkussion. Sie sind ja promovierter musikwissenschaftler – inwie- weit ist das durch die Quellen gedeckt? a lBeRt R ecasens : Das kommt aufs Reperto- ire an. Vielleicht haben wir alle in letzter Zeit zu sehr diesen folkloristischen Aspekt betont, und natürlich kommt das beim Publikum an. Beim geistlichen Repertoire war Perkussion damals verboten. Aber in der weltlichen Mu- sik war die Gitarre sehr präsent, und die Per- kussion wohl auch. t HoRsten P Reuss : Warum trägt eigentlich ein ensemble, das sich die erkundung der spanischen musik auf die Fahnen geschrie- ben hat, einen französischen Namen – La grande Chapelle? a lBeRt R ecasens : Das ist eine Anspielung auf die königlich-spanische Kapelle, die in den Quellen oft „La Grande Chapelle“ ge- nannt wurde. Denn im 15. Jahrhundert ka- men viele Burgunder, viele Ausländer, an den spanischen Hof. Und daher wurde da- mals oft die französische Bezeichnung ge- wählt. Und wir haben das übernommen, da wir uns sehr stark als europäisches Ensemble verstehen. t HoRsten P Reuss : Das führt mich zu mei- ner letzten Frage: die Welt verändert sich zur Zeit ja tiefgreifend. Sie haben gerade diese europäische Dimension erwähnt – wie kann man als Künstler auf diese veränderte Situ- ation reagieren? a lBeRt R ecasens : Die Musik kann ein kraft- volles Werkzeug sein, um den Menschen auf unserem Kontinent bewusst zu machen, dass neben der wirtschaftlichen Einheit die kultu- relle Einheit sehr wichtig ist. Gerade die Musik ist ein Beweis dafür, dass es diesen Austausch nicht erst seit 50 Jahren gibt. Im 16. Jh. z.B. war überall der polyphone Stil in Mode, der ein internationaler Stil ist. Wir sind durch un- sere Kultur seit Jahrhunderten vereint. Wir haben eine großartige Kultur, die heute auch nützlich sein wird, um die Neuankömmlinge zu integrieren, die zu unserer Kultur beitragen und sie bereichern werden. t HoRsten P Reuss : Vielen Dank, albert re- casens, dass Sie zu uns ins Studio gekommen sind, und wir hören jetzt nochmal musik von Juan Hidalgo. Musik: Juan Hidalgo: Quedito ein sanftes Wiegenlied von Juan Hidalgo, in einer aufnahme mit La grande Chapelle unter der Leitung von albert recasens. Die Tage alter musik regensburg – heute abend gehen sie schon wieder zu ende. Viele span- nende Newcomer waren in diesem Jahr hier zu erleben, heute abend aber ist nochmal ein echter Klassiker der originalklangszene zu gast: das ensemble musica Fiata. Detlef Krenge stellt es vor. Stichwort: Musica Fiata Musica Fiata – seit 1976 Vorreiter für kom- promisslose Originalklangästhetik. Mit der Musik von Machaut und Dufay hat alles angefangen. Die lief in England morgens ganz früh im Radio. Und dort hörte sie der junge Roland Wilson. Der hatte als Kind an- gefangen, Klavier und Trompete zu lernen, aber nun wollte er unbedingt dieses Repertoire spielen. Dafür begann er, sich mehr oder we- niger im Alleingang intensiv mit dem histori- schen Instrument Zink zu beschäftigen. Obwohl er zunächst Trompete am Royal Col- lege of Music studierte, war Roland Wilson bald als Zinkenist sehr gefragt. Schließlich ging er noch für ein Jahr nach Den Haag zu Don Smithers, einer Koryphäe für Natur- trompete und Zink. Von hier war es dann nur ein kleiner Schritt zur Gründung der Musica Fiata vor 40 Jahren in Köln. Ursprünglich be- stand das Ensemble nur aus Posaunen und Zinken. Schnell fand sich der Weg zu den Werken von Claudio Monteverdi, die bis zum heutigen Tag eine zentrale Stelle im Repertoire der Musica Fiata einnehmen. Bald wollte Roland Wilson mit der Musica Fi- ata flexibler werden und erweiterte die Gruppe um Streichinstrumente und Conti- nuo. 1992 trat dann noch die Capella Ducale als eigens Vokalensemble hinzu. Ziel dabei war es, die größtmögliche stilistische Einheit gerade bei der Aufführung größerer Werke zu gewährleisten. Ein originalgetreues zeitgenössisches Instru- mentarium mit möglichst wenig modernen Manipulationen, dazu eine Spieltechnik und Interpretation auf dem Fundament der histo- risch gesicherten Erkenntnisse. Das sind die Eckpfeiler des langjährigen Erfolgs der Musica Fiata und Capella Ducale, der auf mehr als 30 CDs und zahlreichen Rundfunk- und Fernsehaufnahmen dokumentiert ist. Zahlen geben aber nur unzureichend wieder, was die- ses Ensemble ausmacht: der auch bei größter Komplexität stets durchsichtige Ensemble- klang, enorme Stilsicherheit in Verbindung mit technischer Brillanz, das feine und ge- schmackvolle Austarieren erlesener Klangfar- ben. Alte Musik ohne Spinnweben, so frisch und faszinierend, als wäre sie gerade kompo- niert worden. Dafür steht Roland Wilson mit seiner Musica Fiata. Heute abend zu gast in regensburg: die mu- sica Fiata und die Capella Ducale unter der Leitung von roland Wilson, und zwar mit der groß angelegten messe, mit der 1617 in Dresden das hundertjährige reformations- jubiläum gefeiert wurde. Schon vor 400 Jah- ren gab es also schon ein Luther-Jahr. Wenn Sie nicht dabei sein können heute abend in der regensburger Dreieinigkeitskirche, keine Sorge: Br-KLaSSiK überträgt das Konzert mit musik von Heinrich Schütz und michael praetorius ab 20 Uhr live. Und hier schon mal ein kleiner Vorgeschmack: Musik: Praetorius: Gloria ein ausschnitt aus der „missa ganz Teudsch“ von michael praetorius. prachtvolle musik erwartet Sie also heute abend zumabschluss der Tage alter musik in der regensburger Dreieinigkeitskirche und live hier auf Br- KLaSSiK. ” O-Ton E. Rohling: Wir hören viel Alte Musik, auch am Radio. Und das hier ist der Höhepunkt des Jahres für uns, weil man hier die Spitze der Musikanten der Alten Musik trifft. Sagt eberhard rohling, der seit über drei Jahrzehnten jedes Jahr von münster nach regensburg pilgert, ins mekka der alten musik. regensburg war auch in diesem Jahr wieder eine reise wert – ich hoffe, Sie haben einen kleinen eindruck davon bekommen in unserer heutigen extra-ausgabe des Ta- fel-Confects. ich möchte mich bei allen be- danken, die beim entstehen dieser Sendung mitgeholfen haben: gudrun petruschka und andrea Braun, Falk Häfner und ilona Han- ning, Wolfgang Feldkamp und – last but not least – bei Christine Bauer, die in der Tech- nik hier imregensburger Studio für den gu- ten Ton gesorgt hat. Und ich verabschiede mich noch einmal mit einemausschnitt aus dem Konzert des kanadischen ensembles masques unter der Leitung von olivier For- tin – mit einer Sonate von Heinrich ignaz Franz Biber. einen schönen pfingstmontag wünscht Thorsten preuß. Musik: Biber: Sonata BR Klassik 26

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