Tage Alter Musik – Almanach 2017

auswendig singenden minimalchor zu- sammenfinden, hat das schon eine elektri- sierende Wirkung. Dynamisch feiner und plausibler durchgearbeitet hat man das „Hal- lelujah“ kaum je gehört. rein instrumentale programme waren an diesem langen pfingstwochenende klar in der minderheit. Zwei von ihnen wagten sich außerdem historisch am weitesten von der alten musik weg: Susanna ogata überzeugte dabei zusammen mit ian Watson am Ham- merflügel mit Beethovens Violinsonaten opus 30, die mittelalter-Truppe Les haulz et les bas versuchte sich ammunteren Crosso- ver und brachte im Jazzclub alte Tanzmelo- dien zum Swingen. Hochkarätig Vokales gab es dann aber reich- lich: in großer Besetzung hatten die regens- burger Domspatzen zur eröffnung Haydns eigenwillig ausladende Cäcilienmesse von 1773 präsentiert. Die ausgezeichnete, vom L’orfeo Barockorchester bestens gestützte interpretation konnte indes nicht über man- che Länge des Werkes hinweghelfen. mit großer risikobereitschaft ging die junge bri- tische a-cappella-Formation The gesualdo Six ihr Deutschland-Debüt mit englischer Vokalpolyfonie an. Nach anfänglichen into- nationstrübungen fanden die sehr charakte- ristischen, immer wieder expressiv hervor- tretenden einzelstimmen zu einer sehr spe- ziellen Form von Homogenität. Das aus musikeinlagen zu einemmantuaner Schauspiel (u.a. von monteverdi) und einem oratorium antonio Bertalis zusammenge- setzte programm des belgischen ensemble Scherzi musicali changierte – der besunge- nen Figur „La maddalena“ entsprechend – zwischen bußfertiger andacht und sinn- licher Verlockung. Leider entwickelte sich trotz großer Besetzung kein wirklich raum- greifender Klang, und Bertalis Werk ver- mochte nur stellenweise zu fesseln. Fest in spanischer Hand war heuer der his- torische reichssaal. La grande Chapelle prä- sentierte dort unter albert recasens ein in- strumental wie vokal gleichermaßen ausge- feiltes programm mit Werken von Juan Hi- dalgo, die Sopranistin raquel andueza ver- sprühte mit ihrem ensemble La galanía sinnlichen, publikumswirksamen Charme. Vergleichsweise blutleer wirkten dagegen die vom französischen ensemble alia mens interpretierten Bach-Kantaten. miriam Feu- ersinger und das Zürcher Barockorchester machten das mit Bachs „mein Herze schwimmt im Blut“ deutlich besser. Wenn es so etwas wie großes protestanti- sches Sakralkino gibt, dann war ein solches zum Festivalabschluss zu erleben. roland Wilson hatte aus Werken von Heinrich Schütz und michael praetorius eine ausge- dehnte messe zusammengestellt, wie sie zum 100-jährigen reformationsjubiläum 1617 in Dresden erklungen sein könnte. Das etwas uneinheitliche, mitunter nicht optimal into- nierende Sängerensemble der Capella Du- cale hatte riesige Textmengen zu verarbeiten, die im beinahe rauschhaften Zusammen- klang mit den Bläsern der musica Fiata bis- weilen ein wenig untergingen. Unüberhör- bar hallte indes das von Schütz mit grandio- ser penetranz wiederholte „denn seine güte währet ewiglich“ nach. Das Schiff der histo- risch exakt passenden Dreieinigkeitskirche erbebte leicht. Donaukurier 33 Scherzi Musicali Ensemble Masques & Damien Guillon Fotos: Hanno Meier

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