Tage Alter Musik – Almanach 2017

Landshuter Zeitung 37 Jonathan Sells & Solomon's Knot Baroque Collective Fotos: Hanno Meier Neun Konzerte standen an den letzten beiden Festivaltagen der diesjährigen regensburger Tage alter musik noch auf dem programm, und jedes davon kann als ein Höhepunkt des Festivals gesehen werden. Besonders interes- sant wird es aber immer dann, wenn etwas zu vernehmen ist, das den reiz einer rarität in sich birgt. Letzteres traf zweifelsohne auf das italienische ensemble „La Fonte musica“ zu, das ammon- tag nachmittag in der Sankt-oswald-Kirche Wandlungen der griechischen mythologie in der musik der ars Nova präsentierte. packend zeigten die Sänger und instrumentalisten so- wie eine Tänzerin, welch progressive Tonspra- che im Frankreich und italien des 14. Jahrhun- derts im rahmen der ars Nova möglich war. Große Gefühle weitab vom Pathos außergewöhnliches vernahmman bereits am abend zuvor bei georg Friedrich Händels oratorium „Der messias“. „Lord of Lords“ und „King of Kings“ schmettert üblicherweise der große Chor, während ein stark besetzter Bläserapparat das Klangvolumen noch impo- sant verstärkt. So kennt man das berühmte „Halleluja“ aus dem „messias“. Dass es auch anders geht, veranschaulichte nun das Londo- ner Vokal- und instrumentalensemble „So- lon‘s Knot Baroque Collective“ in der ausver- kauften Dreieinigkeitskirche. Unter der Leitung von Jonathan Sells, der selbst die Solobass-partie sang, brachte die Formation das Werk in der Dubliner Urauf- führung von 1742 auf die Bühne, die wesent- lich karger besetzt und schlanker angelegt war als die massenaufführungen, welche ende des 18. Jahrhunderts immer mehr zunahmen. So bestand die anzahl der Sänger in regens- burg lediglich aus vier Solisten, die zusammen mit vier sogenannten ripienisten auch die Chorpassagen sangen. Von dem oft üppig aus- gestatteten Bläserapparat ver|nahm man in dieser Version lediglich zwei Trompeten und ein Fagott. Diese schlanke Version hat einige weitere Änderungen auf das Transponieren oder ersetzen von arien durch Chorpassagen, die Händel speziell für die Sänger der Dubli- ner Uraufführung veranlasste. Nun ist nicht bis ins kleinste Detail überliefert, wie die Dubliner aufführung des „messias“ wirklich gestaltet war, aber aus musikwissen- schaftlicher Sicht dürfte die in regensburg ge- botene Version jener vom 13. april 1742 ziemlich nahe kommen. man vernahm in je- dem Fall eine große Transparenz in den par- tien der Vokalsolisten und des Chores, die be- sonders die imitatorisch gearbeiteten passagen in einem beeindruckend neuen Licht erschei- nen ließ. ein großes Kompliment muss man allen Be- teiligten machen, die – obwohl ein Bass-Sän- ger kurzfristig ersetzt werden musste und ei- ner Sopranistin zwischenzeitlich unwohl war – eine ausdrucksstarke interpretation auf die Beine gestellt haben, die weitab vom pompö- sen pathos berühren konnte. Der Reiz der Rarität Tage Alter Musik: Londoner Ensemble überrascht mit seiner Dubliner Version von Händels „Messias“

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