Tage Alter Musik – Almanach 2017

Mittelbayerische Zeitung 39 es ist zum guten Brauch geworden: das er- öffnungskonzert bei den „Tagen alter mu- sik“ gestalten die regensburger Domspat- zen zusammen mit einem orchester der historischen aufführungspraxis. Diesmal steht – unter der gesamtleitung von Dom- kapellmeister roland Büchner – dem Chor wie schon in den beiden letzten Jahren das österreichische „L’orfeo Barockorchester“ zur Seite. ein reines Haydn-programm er- leben die Zuhörer in der dicht gefüllten Dreieinigkeitskirche, das zunächst dem entwicklungsstadium von Haydns Sinfo- nieschaffen nachspürt, dann mit dem „Salve regina“ von 1756 ein wenig bekann- tes unter Haydns kleiner besetzten Kirchen- musikwerken entdecken lässt und schließ- lich als Höhepunkt seine „Cäcilienmesse“ präsentiert. Vorgeschmack auf „Cäcilienmesse“ Haydns Sinfonie Nr. 38, um 1767 am Hofe der grafenfamilie esterhazy komponiert, verbreitet zu Beginn des Konzerts festlichen C-Dur-glanz, der schon auf den grund- charakter der „Cäcilienmesse“ vorausweist. Für ihn sorgen die Hörnerstimmen und die wohl später der partitur hinzugefügten Trompeten, die bei der aufführung in der Dreieinigkeitskirche zusammen mit den pauken wie ein eigener, sporadisch hinzu- tretender Klangkörper seitlich postiert sind. Viel Brio entwickeln die „L‘orfeo“-musiker hier unter roland Büchners Leitung und musizieren Haydns „Sturm und Drang“- musik scharf konturiert, ohne jedoch unge- bührlich zu übertreiben. aus dem Strei- cherapparat tritt die oboenstimme mehr- fach führend hervor, wenn Haydn seinWerk stellenweise fast zumoboenkonzert werden lässt. Die Streicher wiederum entwickeln viel Feinsinn im ihnen vorbehaltenen „an- dante“, wo die beständigen echoeffekte zwi- schen ersten und gedämpften zweiten Violi- nen lustvoll ausgekostet werden. Der Auftritt der Domspatzen Seinen ersten auftritt hat der Chor der Domspatzen bei dem folgenden „Salve re- gina“ und zeigt sich nach langer Wartezeit vom ersten, suggestiv wirkenden „ad te cla- mamus“- einsatz an hellwach. im mittel- punkt steht freilich Hannah morrison, die ihren Sopran bei den ersten „Salve regina“- rufen ganz zart ansetzt und dann allmählich aufleuchten lässt. Leicht beweglich zeigt sich ihre bestens geführte Stimme in der Folge, wenn ihr Haydn allerhand Koloraturen zu- mutet, allenfalls stören hier noch ein paar Härten im ansetzen einzelner phrasen. endgültig freigesungen hat sich Hannah morrison bei der „Cäcilienmesse“, wo als weitere weibliche Solistin Dorothée rabsch mit gleichermaßen stimmkräftigem wie ge- schmeidigem alt hinzutritt. Dass die Dom- spatzen ein Sprungbrett für Solokarrieren bilden, zeigt die Besetzung der beiden män- nerpartien: sowohl der Tenor michael mogl als auch der Bass Johannes Weinhuber sind aus dem Chor herausgewachsen. michael mogl hat einen besonders herausragenden auftritt beim „incarnatus est“, das er dyna- misch klug in der Schwebe zwischen kräfti- ger Verkündigung und zartem mysterium hält. Johannes Weinhuber wiederum profi- liert sich mit einem expressiv formulierten „agnus Dei“. Kompetenz im A cappella-Gesang eineinviertel Stunden dauert die auffüh- rung der Haydnschen Cäcilienmesse: sie ist kein Werk, das sich für gottesdienstliche Zwecke eignen würde, eher ein demonstra- tives Stück Kunst, das gezielt auf barocke Sprachelemente und Fugenkünste zurück- greift. glänzend gelingt es dem Chor der Domspatzen, diese polyphonen abschnitte höchst lebendig zu gestalten, etwa in der ab- schließenden „Kyrie“-Fuge, wo sich Legato- linien und getupfte Sechzehntelketten aufs wunderbarste ineinander verschlingen. Doch auch breiten, flächigen Klang von Tragkraft noch im piano entfalten die Kna- ben und männer des Chors, wobei ihnen ihre Kompetenz im a cappella-gesang zu- gute kommt, und verdienen sich ein Sonder- lob für ihre stets klare sprachliche Diktion. Verdienten Beifall der Zuhörer gibt es am Schluss für orchester, Chor, Solisten und Di- rigenten, der wohl nur deshalb nicht länger ausfällt, weil die Zeit fortgeschritten ist und eine ganze Schar eingefleischter Festival-Be- sucher bereits in richtung Nachtkonzert strebt. Domspatzen eröffnen „Tage Alter Musik“ Beim Auftakt des Regensburger Musikfestivals steht Hannah Morrison im Mittelpunkt. Nach Startproblemen kommt sie in Fahrt. Von Gerhard Dietel, MZ Regensburger Domspatzen & L'Orfeo Barockorchester, Hannah Morrison, Sopran Foto: Hanno Meier

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