Tage Alter Musik – Almanach 2017

Mittelbayerische Zeitung 43 Wie ein rockstar steht er da. im knallroten Hemd, die Theorbe als eine art Langhals- Stratocaster umgehängt, begleitet er seinen eigenen gesang. auswendig übernimmt Nicolas achten, Lei- ter des belgischen ensembles Scherzi musi- cali, höchstselbst den prolog, den Claudio monteverdi zu einem 1617 in mantua urauf- geführten gemeinschaftswerk beigesteuert hat. Darin fordert die göttliche gunst als al- legorische Figur maria magdalena auf, sich von ihrem sündigen Leben ab und Christus zuzuwenden. Kein satter Ensembleklang „La maddalena“, jene schillernde, aus ur- sprünglich zwei biblischen Frauen zu einer zusammengedachte gestalt, gibt dem pro- gramm in der Dreieinigkeitskirche den Na- men. Dementsprechend bewegen sich die musikalischen einlagen zu diesemmantua- ner Schauspiel zwischen bußfertiger an- dacht und sinnlicher Verlockung. imorigi- nal hat ein eindringlicher engelschor von muzio effrem das letzte, auffordernde Wort („geh’ in dich, ändere dein Leben…“); weil Salomone rossis flotte Beschreibung der reize magdalenas aber den besseren raus- schmeißer abgibt, werden wir damit in die pause entlassen. Bis dahin ist Folgendes festzuhalten: Wenn in einem monteverdi-prolog der gesang nicht raumfüllend ausfällt, werden die immer neu instrumentierten und verzierten Zwischen- spiele zum Hauptereignis. Und zwei Theor- ben plus eine erzlaute machen zwar optisch einiges her, garantieren aber zusammen mit vier gamben und Continuo-gruppe noch lange keinen satten ensembleklang. Schon gar nicht können sie eine unsauber intonie- rende geige überspielen. Da hilft dann schon eher ein Zink, wie ihn adrienmabire in dem als introduktion vorangestelltenWerk Dome- nico mazzocchis bläst: Beim Vergießen bitterer Tränen kommt er der menschlichen Stimme im Timbre und in der Beweglichkeit so nahe, wie es eben geht. Die Musik setzt eher auf Details Nach der pause dann das eigentliche Haupt- werk: antonio Bertalis oratorium „La mad- dalena“ von 1663. Wobei wir aus Katelijne Schiltz‘ einführung erfahren (eine schöne Kooperation mit der Uni regensburg), dass es sich dabei genauer gesagt um eine Wiener Spezialgattung namens „Sepolcro“ handelt. in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts fanden an gründonnerstag und Karfreitag halbszenische aufführungen in den Kapel- len der Hofburg statt, wo eine Nachbildung des Heiligen grabes aufgestellt war. Wie explizit die Kostümierung dabei ausfiel, ist nicht überliefert, in der Dreieinigkeitskir- che trägt Deborah Cachet als magdalena violett, pauline Claes als maria türkis. Beide kommen allerdings erst im zweiten Teil zum einsatz; zunächst sinnieren die gottesliebe und die reue über Christi Tod. Tenor rei- noud Van mechelen tut dies mit großer vo- kaler Überzeugungskraft, Sönke Tams Frei- ers kann da mit fehlendem Volumen in der Tiefe nicht ganz mithalten. Das liegt aber na- Zwischen Buße und sinnlicher Verlockung Scherzi Musicali führt in Regensburg zwei Werke zu „La Maddalena“ auf. Das ist interessant, aber nur stellenweise packend. Von Juan Martin Koch, MZ Scherzi Musicali

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