Tage Alter Musik – Almanach 2017

nichts verändert hat - leider noch nicht ein- mal adäquat die Zuschüsse des bayerischen Staates -, ist das Festival bis heute einzigartig. Hier kann man Jahr für Jahr den ensembles lauschen, die den beiden Herren mit den großen ohren als was ganz Besonderes auf- gefallen sind, und die dürfen auch das mu- sizieren, was sie am besten können. Die erste Überraschung gabs gleich am er- sten abend: das ensemble The gesualdo Six: Durchschnittsalter 23 Jahre, CD gibt’s noch nicht, aber natürlich steht was in youtube! Die sechs englischen den Kathedralschulen entwachsenen kamen ursprünglich für ge- sualdo zusammen. Jetzt entstauben sie mit der ausdruckskraft und Dynamik, die ge- sualdos musik verlangt, auch die renaissan- cemusik ihrer britischen Heimat, die man ja in fantastischen aufnahmen des Hilliard en- semble, der Tallis Scholars etc. kennt: lupen- rein, ausgewogen, wohl geordnet. aber diese Jungs zeigen: da geht noch mehr. Die Klänge kommen aus dem Nichts, bauen sich auf, drängeln, bersten und stehen still .... Unerhört! genial! Musik: Thomas Tomkins: Aus „When David heard“ The gesualdo Six mit ihrem Deutschland- Debut des ensembles bei den Tagen alter musik in regensburg am pfingstwoche- nende. auf andere ensembles, deren CDs mich aufhorchen ließen, war ich live ge- spannt – auch sie alle kaum in Deutschland zu hören und erstmals in regensburg: das kanadische ensemble masques, das deutsche musik des 17. Jahrhunderts liebt, wunderbar delikat und sinnlich aufführt mit warmem und süffigem gamben-Bass-Sound, über dem die geigen und der Countertenor Da- mien guillon himmlisch schweben, das bel- gische ensemble Scherzi musicali, das – ge- leitet von dem Lautenisten Nicholas ach- ten – den gezupften Klang bevorzugt und 3 Theorben als Frontmen plaziert, die wiede- rum die 6 gamben des ensembles im Zaum halten - mit einem spannenden programm, das die Figur maria magdalenas ins Zen- trum rückt mit italienischer musik vonmaz- zocchi bis Bertali. Dann dichte und leben- dige Blicke auf das 17. Jahrhundert in Spa- nien, von Landsleuten: von der begnadeten Sängerin raquel andueza und der grande Chapelle, und natürlich das französische en- semble alia mens, das Bachkantaten so auf- blühen ließ, dass ein Zuhörer danach stau- nend und erfüllt sagte: so muss Bach sein! Die Tage alter musik regensburg am pfingswochenende waren wie ein dreitägiger gang durch die Delikatessenabteilung, ein Taumel von einem amuse-oreil zum ande- ren, durch erlesene ausführungen und durch die verschiedenstenmusikfacetten aus sechs Jahrhunderten: mittelalterliche Klänge aus italien mit La fonte musica, eindrucks- voll aktuelle Botschaften zum Thema gier, geiz und Verschwendung aus mittelalter- lichen Schweizer Klöstern mit dem russi- schen ensemble Labyrinthus, feinste renais- sancemusik der Cappella mariana aus Tschechien und ein fulminates abschluss- konzert der musica Fiata mit einer messe zumreformationsfest in Dresden anno 1617 und noch einiges mehr. man bekam Lust auf eine gurke zwischen- drin, aber die blieb aus. Vielleicht hätte ein upgrade an SolistenHändels messias geholfen – was aber die Vitalität der britischen Truppe Solomon’s Knot wettgemacht hat, und sicher hätte ein Sänger-upgrade zum genuss des traditionellen eröffnungskonzerts der re- gensburger Domspatzen beigetragen, deren männliche Solisten ehemalige Domspatzen waren. aber nicht aus jedem Spatz wird ein Dompfaff. Da bekommt man eine ahnung davon, wie dieses Festival aussehen könnte, wenn man Freunde und Bekannte einlädt oder aus prestigegründen „große“ Künstler einkauft, wenn nicht dieses Herzblut bei den Veranstaltern flösse und die künstlerische Kompromisslosigkeit. Da wünscht man sich, dass die beiden gründer, planer und organi- satoren des Festivals noch weitere 33 Jahre bei bester gesundheit bleiben! SWR2 69 The Gesualdo Six in der Schottenkirche Fotos: Hanno Meier

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