Tage Alter Musik – Almanach 2017

SWR2 71 Das fanden nicht alle so überzeugend: man- che deswegen nicht, weil sie unter einer Cross-over-allergie leiden, andere, zu de- nen ich auch gehöre, weil doch einige der ge- borgten Jazzer etwas seicht rüberkamen und einfach in einer anderen Liga spielten wie das ensemble „Les Haulz et les bas“, wie ge- sine Bänfer, die zwischen Schalmei und Sa- xophon wechselte, und der im mittelalter verbleibende ian Harrison, der sich auf die Kunst der Diminution – der melodieauszie- rung - wunderbar versteht, und der geniale posaunist miguel Tantos, der sich wie ein Fisch auf alter und neuer posaune in allen musikwassern tummelte. aber: einen Versuch war‘s wert! Und tat auch schon deswegen gut, weil hier rüber- kam, dass die Jazzer, denen die Harmonien nie kompliziert genug sein können, mit ih- ren 12 chromatischen Tönen nicht automa- tisch gewinnen gegen die diatonischen in- strumente alter Zeiten, die den Spielern enge grenzen setzen. Das Bewusstsein, „ars Supernova“ zu betreiben, ist wohl allen interpreten der alten musik bewusst: man versucht sich stets über intensives Quellen- studium und über das, was die instrumente lehren, demKlang, der schon verglüht ist, zu nähern, und das gelingt mehr und mehr, aber wirklich wissen können wir es nicht. Bei all dem ist das Wichtigste, dass die mu- sik uns heute berührt! Und das gelang bei den Tagen alter musik regensburg durch- gehend! Hier war mal wieder nur vom Fein- sten zu gast. Nach dem obligatorischen eröffnungs-Kon- zert mit den regensburger Domspatzen, de- ren kleine Chorspatzen in bester Form wa- ren, - allein den großen Spatzen, die als aus- gebildete Sänger zurückgeflogen kamen, mochte man nicht so gerne als Solisten der Cäcilienmesse von Joseph Haydn lauschen, - gleich nach ihnen kam ein junges Vokalen- semble aus großbritannien:„The gesulado Six“, Durchschnittsalter 23 Jahre, CD gibt’s noch nicht, aber natürlich wird man in you- tube fündig! Die sechs englischen, den Ka- thedralschulen entwachsenen Sänger, waren ursprünglich für gesualdo zusammenge- kommen. Jetzt entstauben sie mit der aus- druckskraft und Dynamik, die gesualdos musik verlangt, auch die renaissancemusik ihrer britischen Heimat. man kennt sie ja in fantastischen aufnahmen des Hilliard en- sembles, der Tallis Scholars etc.: lupenrein, ausgewogen, wohl geordnet. aber diese Jungs zeigen: da geht noch mehr. Die Klänge kommen aus dem Nichts, bauen sich auf, drängeln, bersten und stehen still.... Uner- hört! genial! Musik: Thomas Tomkins: aus „When David heard“ The Gesualdo Six Thomas Tomkins „When David heard“. Wenn David das gehört hätte, wären ihm die ohren abgefallen: The gesualdo Six! eine CD ist in arbeit. Bis dahin muss man sich mit youtube begnügen. Die regensburger Spürnasen haben gesu- aldo Six mit diesem Konzert ihr Deutsch- Ensemble Alia Mens, Etienne Bazola, Bass Fotos: Hanno Meier

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