Tage Alter Musik – Almanach 2017

SWR2 72 landdebut ermöglicht. Die expressivität ge- sualdos schwebte als geist über dem abend und die sechs waren glücklich, ihre musik von der insel in diesem breiten Spektrum und über eine Zeit von 200 Jahren vorstellen zu können, musik aus einer großartigen pe- riode, in denen katholische und protestanti- sche musik abwechselte und sich in den Kompositionen verschieden spiegelt, auf La- tein und auf englisch. ” O-Ton Owain Park: A: „It’s realy important, to enjoy the music … E: … such emotional music“ Solch emotionale, ausdrucksstarke interpre- tation, wie sie aus owain park, dem Chef von gesualdo Six, hier auch verbal sprüht, blieb nicht allein auf den import der eigenen musik nach Deutschland beschränkt. manchmal macht es auch der re-import, wie bei einem französischen ensemble, das mit deutscher musik vertreten war: das en- semble alia mens – der andere geist - ließ Bachkantaten so aufblühen, dass ich einen Zuhörer danach staunend und erfüllt sagen hörte: so muss Bach sein! Musik: Johann Sebastian Bach: Eingangschor der Kantate „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen“ BWV 12 Ensem- ble Alia Mens, Leitung: Olivier Spilmont Den warmen, dunklen Klang für die frühe Bach-Kantate mit zwei gamben nebst Cello borgt sich olivier Spilmont, der Leiter des en- sembles alia mens, der selbst Cembalist und Sänger ist, bei Buxtehude. Die Sänger können sich über einem zuversichtlichen, sicheren Bassfundament hier in der Kantate „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen“ frei entfalten. ” O-Ton Olivier Spilmont: A: „Magnifique. Je suis très con- tent, que vous… E: …d‘inciter, de porter.“ Für olivier Spilmont sollte der generalbass gleichzeitig eine solide und eine weiche, nachgebende und dazu unabänderliche grundlage sein. als Sänger braucht man eine klare, stabile Begleitung, die zudem auch führt. Die Schwierigkeit des Basso con- tinuo sei, zu begleiten und gleichzeitig anzu- regen, anzutreiben – und zu tragen. ein beeindruckendes Deutschlanddebut des ensembles „alia mens“. ein zweites ensemble, das bei den Tagen al- ter musik in regensburg mit deutscher mu- sik überzeugte, ist international besetzt mit zwei Kanadiern, darunter olivier Fortin, dem Cembalist und Leiter des ensembles, der ersten geigerin Sophie gent aus austra- lien und musikern aus Finnland, Frankreich, Belgien, Japan und england. Wie es eben so ist in der altenmusik, wenn die musiker, die Festanstellungen nicht kennen, sich in den verschiedensten ensembles begegnen und lieben lernen und dann ein gemeinsames neues gründen. in der Frische und auch in der Tiefe spürt man, dass sich hier ver- wandte Seelen zusammengefunden haben. Das ensemble masques liebt deutsche musik des 17. Jahrhunderts und führt sie wunder- bar delikat und sinnlich auf – auch – wie alia mens – mit warmem und süffigem gamben-Bass-Sound, über dem die geigen und der Countertenor Damien guillon himmlisch schweben. Musik: Heinrich Schütz: Erbarme dich mein SWV 447, Damien Guillon, AltusEnsemble Mas- ques, Leitung: Olivier Fortin „erbarme dich mein“ von Heinrich Schütz. man hört, dass die musik des 17. Jahrhun- derts, dessen erste Hälfte die Not und das Leiden des 30-jährigen Krieges geprägt ha- ben, das ensemble masques in ihrer inti- mität und Tiefe berührt und bewegt. ” O-Ton Olivier Fortin: A: „Oui, c’est la musique la plus intime… E: …tout le repertoire qu’on adore.“ Biber, Schmelzer, Weichlein, rosenmüller, die deutsche musik des 17. Jahrhunderts ist eins der Lieblingsrepertoires olivier Fortins, das er mit seinem ensemble masques auch viel aufführt. aus Belgien war das preisge- krönte Vokal- und instrumentalensemble „Scherzi musicali“ zu gast in regensburg mit italienischer musik des 17. Jahrhunderts über das Leben der maria magdalena. Hier wieder eine ganz andere Klangvorstel- lung. Drei Theorben platzieren sich ein- drucksvoll als Frontmen vor dem 20-köpfi- gen ensemble, darunter sein Chef Nicholas achten, selbst Lautenist und gleichzeitig Sänger. er leitet das ensemble mit dem lan- gen Hals seines instruments wie mit einem riesigen Dirgierstab. entsprechend sind die Zupfinstrumente klanglich präsent. Sie eröffneten ihr programmmit Domenico mazzocchis „La madddalena ricorre alle la- grime“: magdalena - am Fuße des Kreuzes stehend - beschwört ihre Tränen. Musik: Domenico Mazzocchi: La Maddalena ricorre alle lagrime: Lacrime Amare, Scherzi Musicali, Leitung: Nicholas Achten in langgezogenen Linien klagt maddalena, die Tränen fließen dabei in sprudelnden Tongirlanden. Deborah Cachet als madda- lena in Domenico mazzocchis „La madda- lena ricorre alle lagrime“. Die Klarheit der Zupfinstrumente ergänzt hier wunderbar den warmen Klang der gamben. Haupt- werk des maddalena-Konzerts war neben Werken von monteverdi, rossi und muzio efrem das für Wien geschriebene orato- rium „maddalena“ von antonio Bertali, eine auseinandersetzung mit dem Sinn des Lebens imangesicht des Todes, eindrucks- voll imausdruck des Schmerzes ausgeführt vom ensemble „Scherzi musicali“ unter Leitung des jungen Belgiers Nicholas ach- ten. aus Tschechien war die Cappella mariana zu den Tagen alter musik regensburg ein- geladen mit musik aus prag während der regentschaft von Kaiser rudolf ii., der ab 1583 auf der prager Burg residierte. Sie stellte im Kern die achtstimmige missa „Confitebor tibi domine“ des rudolfinischen Kapellmeisters philippe de monte vor, des letzten großen Komponisten der franko-flä- mischen polyphonie. Musik: Philippe de Monte: Sanctus und Benedictus aus der Missa „Confitebor tibi domine“, Cappella Mariana, Leitung: Vojtĕch Semerád Die Zeiten, in denen der osten europas ent- wicklungsland in der alten musik war, scheinen endgültig vorbei. Vaclav Luks und das Collegium marianum unter Jana Se- merádova und jetzt auch noch die stimmlich fein ausbalancierte Cappella mariana, die Ja- nas Bruder Vojtĕch Semerád hier leitet. im Sopran mit dabei Hana Blažíková, die ganz zurückhaltend dem Chorklang doch einen extra glanz verleiht. Selbst aus russland war ein ensemble einge- laden: das mittelalter-ensemble Labyrinthus des Cisterspielers Daniil ryabchikov. er hat sich das Spiel auf dieser frühen Lautenvari- ante, die mit metallsaiten bezogen ist, mehr oder weniger selbst beigebracht und brennt für das mittelalter, für den Klang und die Botschaften. Die hatte er für das regensbur- ger Konzert in Schweizer Klöstern und Bi- bliotheken des 12 bis 14. Jahrhunderts ge- funden: erstaunlich gesellschafts- und Kir- chenkritisches, aber auch sehr Kontemplati- ves, eine Welt, in die sich das publikum am pfingstsonntagmorgen gerne mitnehmen ließ. Das krasse gegenteil, die überschäumende Lebens- und Liebesfreude, wozu natürlich auch das Leid gehört, servierte das spanische ensemble La galanía mit der Sängerin ra- quel andueza. „Yo soy la locura“ – Verrücktheit im tanzen- den Dreiertakt. Sie mag die Verrücktheit der Liebe, andere Verrücktheiten nicht so be- sonders.

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