Tage Alter Musik – Almanach 2017

76 8. Juni 2017 // Autorin: Kristina Maidt-Zinke es war fast unheimlich: genau in dem au- genblick, als der britische Bass Jonathan Sells in seiner arie aus Händels „messias“ dort angekommen war, wo die biblische Weissa- gung ein „großes Licht“ verheißt, fiel die abendsonne so ins Kirchenfenster, dass der mann wie von einem himmlischen Spot er- fasst und geblendet wurde. Wenige Takte später, beim „Schatten des Todes“, schob sich eine schwarze Wolke vor den Strahl und ver- dunkelte den Sänger. Kein professioneller Beleuchter hätte es besser machen können. aber die regensburger „Tage alter musik“ sind auf technische effekte nicht angewie- sen: Hier scheint man seit 33 Jahren mit freundlichen mächten im Bunde zu stehen, die auch mal Lichtspiele gratis liefern. Natürlich erklangen die Worte des prophe- ten Jesaja auf englisch, denn es handelte sich ja um einen originalen „messiah“, und zwar im doppelten Sinn: Das von Jonathan Sells geleitete Barock-Kollektiv „Solomon’s Knot“ brachte die Dubliner Fassung zu gehör, also die Version, in der das oratorium im april 1742 in mehreren karitativen einrich- tungen der irischen Hauptstadt aufgeführt wurde, noch bevor Händel es im Londoner Konzertbetrieb etablieren konnte. Dass das Stück dann rasch zu einem der populärsten Werke der abendländischen Vokalmusik aufstieg, ist bekannt. Und obwohl die infor- mierte aufführungspraxis auch hier längst die patina weggeputzt hat, ist es bei vielen gelegenheiten als klangschöne, doch zuwei- len etwas langatmige Nummernrevue in er- innerung geblieben. Die Beschattung des Messias Gereift: Die Tage Alter Musik in Regensburg Zürcher Barockorchester in St. Emmeram

RkJQdWJsaXNoZXIy OTM2NTI=