Tage Alter Musik – Almanach 2018

Regensburg soll die Stadt mit der größten Kneipendichte sein. Da wollen auch die Tage Alter Musik nicht hintanstehen. Diesmal hatten sie sogar eine „Alehouse-Session“ im Programm. Während der haben sich die of- fenbar trinkfesten „Barokksolistene“ aus Norwegen mit Musik von Henry Purcell zu- geprostet – im Kulturzentrum Leerer Beutel und erst zu nachmitternächtlicher Stunde. Konzerte nach 24 Uhr: Auch das passt zum legeren Kunst-Musik-Rucksack-Flair der ausverkauften Konzerte wie immer zu Pfing- sten. Aber es gibt selbstverständlich auch seriöse Erkundungen für zweieinhalb Stunden in der Kirchenbank: Re-Formationen heißt zum Beispiel ein Konzert mit Bindestrich und einem für das 18. Jahrhundert be- sonders interessanten Thema. Was hat Meister Bach auf dem europäischen Musikmarkt seinerzeit eingekauft, gesam- melt, abgekupfert, bearbeitet – ohne einen Schritt aus Deutschland heraus zu machen? Bachs Anleihen Das Barockorchester La Folia und das Vo- kal-Ensemble Polyharmonique haben nach- geforscht, was Bach da von den Kollegen Peranda, Conti oder Marcello für seine No- tenschublade gesammelt, für individuelle Aufführungsbedingungen umgearbeitet, in Konzerte und Messen eingebaut hat. Ein für Barockkomponisten durchaus übliches Ver- fahren, ein oft über Jahrzehnte wirkendes work in progress, wie man es in Regensburg besonders vom polyphon-artistischen En- semble Polyharmonique hören kann. In un- glaublicher Fülle recycled, erneuert und un- übertrefflich kompetent interpretiert in ver- doppelter Virtuosität. Festival der Superlative Es gehen einem ohnehin die Superlative bei dem diesjährigen Festival aus. Etwa für das schlicht „Suiten-Concerti grossi-Solocon- certi“ betitelte Programm des Finnish Baro- que Orchestra unter und mit der fabelhaften Geigerin und Konzertmeisterin Amandine Beyer aus Aix-en-Provence. Eine Jumelage aus mediterraner Virtuosität bis an die Gren- zen des Manierismus und einem perfekten, 21-köpfigen Ensemble. Das waren keine Zet- tel-kasten-Stücke, sondern (besonders bei Te- lemann) elegante Cocktails aus italienischer, französischer und deutscher Musikmode. „Hamburger Ebb’ und Fluth“ heißt das dann, mit Wasser hat jeder Satz irgendwie zu tun, ist so vergnüglich und unterhaltsam wie die Springbrunnenspiele von Hellbrunn oder der Bayreuther Eremitage. Amandine Beyer ist für ihre finnischen Musiker ein Vorbild an schillernder Anschaulichkeit, energisch im Zugriff und unübertroffen auf dem Flit- zebogen. Mit seinen flamboyanten Konzerten und Opernsuiten hat Jean-Marie Leclair seinen Konkurrenten Telemann noch übertroffen. Den Finnen allerdings machte niemand ei- nen Spitzenplatz bei diesem Festival streitig. 16 Run auf die Tage Alter Musik in Regensburg // Virtuose Cocktails // Autor: Uwe Mitsching Amandine Beyer und der Cellist des Finnish Baroque Orchestra Jussi Seppänen

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