Tage Alter Musik – Almanach 2018

Alte Musik-Fans wissen, was sie über Pfing- sten tun: Sie fahren nach Regensburg zu den Tagen Alter Musik. Dort kann man an vier Tagen siebzehn Konzerte hören und ganz tief in den Kosmos der historischen Auffüh- rungspraxis eintauchen. Man kann renom- mierte Ensembles, aber auch Newcomer hö- ren, die in ausgefeilten Programmen Musik vom Mittelalter bis zur Romantik spielen. Auch der 34. Jahrgang des Festivals ent- täuschte nicht. „Ich liebe das Risiko, denn für mich gibt es diese Grundregel, dass ich in meinem Leben keine Momente kopieren will. Ich will im- mer neu schöpfen.“ Dies sagt die Geigerin Meret Lüthi, die bei den Tagen Alter Musik in Regensburg zusammen mit der Geigerin Sabine Stoffer und dem Ensemble Les Pas- sions de l’Ame ein Experiment gewagt hat: Am Freitagabend, 18. Mai, haben sie acht verschiedene Geigen, die von Geigenbauern gefertigt worden waren, die ihre Instrumente in der parallel zum Festival laufenden In- strumentenausstellung zeigten, getestet und die passenden Geigen für vier Partien aus der Sammlung „Harmonia Artificiosa Ariosa“ von Heinrich Ignaz Franz Biber aus- gesucht, die sie dann im Konzert am Sonn- tagvormittag gespielt haben. Wenig Zeit blieb den beiden Geigerinnen, sich mit den Instrumenten vertraut zu machen, doch das Risiko, das sie damit eingegangen sind, hat sich gelohnt: Ihr Konzert war eines von vie- len eindrücklichen Konzerterlebnissen bei den diesjährigen TAM in Regensburg. Viel zu entdecken und zu bewundern gab es in diesem Jahr: Zum Beispiel konnte man gleich drei Zinkenisten hören. Einer davon ist der Amerikaner Bruce Dickey, der Ende der 70er Jahre eine Renaissance dieses In- strumentes eingeleitet und über 30 Jahre an der Schola Cantorum in Basel unterrichtet hat. In Regensburg musizierte er mit der So- pranistin Hana Blažíková und Ensemble un- ter dem Titel „Breathtaking“. Es war ein sehr interessantes Programm, das eindrucksvoll gezeigt hat, wie nah der Zink der mensch- lichen Stimme ist. Die Musiker haben unter anderemMotetten von Giacomo Carissimi oder Sigismondo D’India ausgesucht, die eigentlich für zwei Sopranstimmen geschrieben sind, in dem Konzert aber mit Sopran und Zink musiziert wurden. Zudem erklang Musik der zeitge- nössischen griechischen Komponistin Cal- liope Tsoupak: ein Werk für Zink und Stimme. Am Ende schließlich gelangten drei Arien mit obligatem Zink aus Alessandro Scarlattis Oper „Emireno, o vero Il consiglio dell’ombra“ zu Gehör. Ein geschmackvoll zu- sammengestelltes Programm mit höchsten Anforderungen an die Sängerin und an den Zinkenisten. Wie hoch das Niveau auf dem Zink derzeit ist, zeigte sich auch in den Konzerten von Dickeys ehemaligen Schülern: Lambert Col- son etwa und seinem jungen belgischen En- semble InAlto, das unter demMotto „La Li- berazione Di Venezia - Befreiung von der Pestepedemie“ Vokalwerke, aber auch In- strumentalstücke von Gabrieli, Monteverdi, Bassano und anderen Komponisten präsen- tierte. Der dritte Zinkenist, den man auf den TAM Regensburg hören konnte, war Jean Tubéry, Mitglied des Ensembles Stylus Phan- tasticus. Dieses Ensemble wird von der Münchner Gambistin Friederike Heumann geleitet und verband in seinem Programm mit dem Titel „La carte de tendre oder die Geographie der Gefühle“ Lieder aus der Gat- tung des Air de cour mit Instrumentalstü- cken. Die „Airs de cour“ – weltliche Lieder, die zwischen 1570 und 1660 vor allem am fran- zösischen Hof musiziert wurden – loten die vielfältigen Gefühlswelten eines Liebenden aus. Die Sängerin Claire Lefilliâtre hat diese 18 Entdeckungen Auf Top-Niveau // Leporello // 23. Juni 2018 // Autorin: Ilona Hanning Meret Lüthi (li.) und Sabine Stoffer von Les Passions de l’Ame

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