Tage Alter Musik – Almanach 2018

BR Klassik 23 Wie kam es überhaupt zu diesem Projekt – wie ist diese Idee entstanden? BD: Sie ist entstanden, indem wir mehrere Projekte zusammen gemacht haben, aber insbesondere ein Projekt mit einemKnaben- chor, wo es ein paar Stellen gab, wo wir Duette gespielt haben, und wo wir sehr in- tim musiziert haben. Und im Zug nach Hause nach dem Konzert, da habe ich ge- dacht: „Was kann ich tun? Wir müssen eine Möglichkeit finden, das in einem ganzen Konzert zu präsentieren!“ Ich habe das in den nächsten Tagen weiterent wickelt und dann Hana vorgeschlagen. Sie war sofort en- thusiastisch. Die Idee hat mich gereizt, auch ein modernes Stück dabei zu haben, und so habe ich die Komponistin Calliope Tsoupaki gefragt - und ich denke, dass in Ihrem Stück „Mélena imi“ der Zink und die Stimme nicht weniger ähnlich klingen als in älteren Stücken. Musik: Tsoupaki, Mélena imi (Blažíková /Dickey, CD) Musik von Calliope Tsoupaki, komponiert für die Sopranistin Hana Blažíková und den Zinkenisten Bruce Dickey, beide am Sams- tag zu Gast bei den Tagen Alter Musik Re- gensburg und beide zuvor auch bei mir im Studio. Hana Blažíková, Sie werden ja nicht nur als Barocksängerin gefeiert, sondern singen z.B. auch beim Tiburtina Ensemble mit, das sich auf mittelalterliche Musik und Musik der Renaissance spezialisiert hat, und ich kann mich erinnern, dass Sie hier in Regensburg auch schon mal gotische Harfe gespielt ha- ben. Wie kam es zu dieser Liebe zur Alten Musik? hB: Ich hatte in der Schule einen Lehrer, der mittelalterliche Musik mit in den Unterricht brachte. Als Kinder spielten wir das damals fast jeden Tag. Und das fühlte sich für mich so anders an als das, was ich sonst so hören konnte – eine ganz andere Harmonik zum Beispiel. Wahrscheinlich hat mich das ange- zogen. Ich finde es schön, dass Sie erwähnt ha- ben, dass ich mit Mittelalter-Ensembles hier in Regensburg war, denn diese Musik mache ich wirklich sehr gern. Und hier, die Akustik der Schottenkirche, ist dafür wirklich perfekt. Da habe ich sehr gute Erinnerungen dran. Nun sind Ihre musikalischen Interessen breit gefächert – sie reichen von mittelalterlicher Musik über Barockmusik bis zu einer Band namens „Stillknox“, in der sie Bassgitarre spielen. Was verbirgt sich dahinter? hB: Stillknox war eine Band – leider hat sie sich inzwischen aufgelöst, aber wir haben zwölf Jahre lang regelmäßig zusammenge- spielt. Ich habe Rockmusik immer geliebt, ich konnte aber nicht singen, weil ich damit meine Stimme ruiniert hätte, drum habe ich Bassgitarre gespielt. Wir spielten in Clubs und Festivals, und das war eine tolle Erfahrung. Bruce Dickey, Sie haben als Zinkenist die Alte-Musik-Szene über Jahrzehnte hinweg mitgeprägt und haben dazu beigetragen, dass das Instrument Zink wieder eine Re- naissance erlebt hat. Stimmt es, dass wir es einem verunglückten Fußballspiel verdan- ken, dass Sie Zink spielen und nicht Block- flöte? BD: Es ist unglaublich, aber es stimmt. Und es hat auch mit mittelalterlicher Musik zu tun, denn dieses Fußballspiel, das damals in mei- nem Studentenwohnheim in Basel stattgefun- den hat, war zusammen mit Benjamin Bagby und Barbara Thornton vom Ensemble Se- quentia… Und ich bin gefallen und hab mir mein Handgelenk gebrochen und konnte da- her drei Monate nicht mehr Blockflöte spielen, was ich eigentlich studiert habe! Aber ich hatte auch einen Zink dabei, der hat sechs Tonlö- cher oben, und das war mit Gips gerade noch möglich…Und das habe ich ein bisschen pro- biert – und dann ging es sehr schnell. Wenn Sie jetzt gemeinsam auftreten – was ist dann das Spannende für Sie? hB: Es ist immer spannend, dieses Programm zu machen. Jedes Mal ist es anders. Wenn wir auf die Bühne kommen, dann beginnen wir auch zu experimentieren und finden neue Dinge in der Musik, die wir doch schon ken- nen. Es gibt immer wieder Stellen, wo man sich sagt: Oh, das klang aber toll, und dann probiert man das weiter. Und das macht gro- ßen Spaß. BD: Wir haben das Programm jetzt 22mal gemacht, aber es bleibt immer noch fantas- tisch. Frisch! hB: Ja, es fühlt sich immer noch frisch an, ge- nau das wollte ich auch sagen! Musik: Merula, Nigra sum sed Formosa (Blažíková /Dickey, CD) „Nigra sum“, eine Hohelied-Vertonung von Tarquinio Merula und Teil des Projekts „Breathtaking“, das Hana Blažíková und Bruce Dickey auch hier bei den Tagen Alter Musik in Regensburg vorgestellt haben. Ein anderer Höhepunkt an diesem Pfingstwo- chenende war sicher der Auftritt des belgi- schen Ensembles Vox Luminis gestern Nachmittag in der von den Asam-Brüdern prächtig ausgestatteten Basilika St. Em- meram. Festival-Chef Ludwig Hartmann hatte sich von Ensemble-Leiter Lionel Meu- nier ein reines Bach-Programm gewünscht: ” O-Ton Lionel Meunier: „Es ist ei- nes der wichtigen Festivals für Alte Musik, die Veranstalter ma- chen hier ein sehr gutes und aus- gefeiltes Programm. Ludwig Hart- mann hat uns ein paar Mal mit Bach-Kantaten gehört, dann hat er uns kontaktiert und gesagt, er hätte gerne ein Konzert mit Bach- Motetten, bei denen die Gesangs- stimmen mit Instrumenten ver- doppelt werden, gekoppelt mit Sinfonien von Bach. Die haben hier einfach Ideen, was sie gerne hätten. Und dann sagt man ja oder nein. Normalerweise sagst du ja, denn man will ja nach Re- gensburg kommen. Was da bei der Besetzung generell historisch be- trachtet „richtig“ ist, das können wir nicht 100%ig wissen, das ist klar. Wir haben da Argumente für beide Möglichkeiten: für Streich- und Blasinstrumente spricht zum Beispiel, dass wir eine Handschrift von Bach haben, aus der das ein- deutig hervorgeht. Man weiß aber auch, dass etwa Trauermotetten im Haus eines Verstorbenen ge- sungen wurden, sogar im Toten- zimmer, und da standen dann eben acht Sänger in einem kleinen Raum und haben gesungen. Wenn ich mich jetzt entscheiden müsste, also, ich mag das wirklich sehr, wenn die Instrumente die Sänger verdoppeln in den doppelchörigen Motetten. Das unterschiedlich zu besetzen, ist vielleicht die beste Formel für ein gutes Konzert. Bravo, Ludwig!” Musik: Bach, Singet demHerrn ein neues Lied (Vox Luminis) „Singet dem Herrn ein neues Lied“, aufge- führt ohne Dirigent, dafür aber mit farben- reicher instrumentaler Unterstützung vom Ensemble Vox Luminis gestern bei den Ta- gen Alter Musik Regensburg. Jedes Jahr an Pfingsten macht dieses Festival die Domstadt an der Donau zum Mekka der Alten Musik, und deshalb senden auch wir auf BR-KLAS- SIK heute eine zweistündige Sonderausgabe des Tafel-Confects live aus dem Studio in Re- gensburg. Es ist 12 Uhr 57 und damit, wie in jeder Tafel-Confect-Ausgabe, Zeit für einen Blick in unser Alte-Musik-Lexikon. Das Tafel-Confect Stichwort vom 21.5.2018: Ground (Andrea Braun) Der Ground – fundamentale Tonfolge mit Folgen

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