Tage Alter Musik – Almanach 2018

BR Klassik 24 Ein Ground ist zuerst einmal eine Melodie, die meistens im Bass liegt und mehrmals bis vielmals hintereinander erklingt. Der Begriff Ground, oder ground bass, wurde vermut- lich zuerst im späten 16. Jahrhundert in Eng- land verwendet - aber das Phänomen selbst erfreute sich nicht nur dort enormer Beliebt- heit. Nun ist so ein Ground allein aber zuge- gebenermaßen spätestens nach der fünften Wiederholung musikalisch eigentlich nicht mehr so rasend interessant... Und deshalb taucht ein Ground - oder, in Italien, basso ostinato - denn auch gewöhn- lich nicht einsam und alleine auf, sondern als Fundament für ein, zwei oder mehr Oberstimmen jeglicher Art, die sich über dem Bass in fröhlichen Variationen ergehen. Manchmal sind diese Oberstimmen reich verziert, manchmal zumindest teilweise im- provisiert - aber in jedem Falle kann man sa- gen: Da ist immer ordentlich was los. Wer wo zuerst ein Stück mit Ground-Bass geschrieben hat, ist unklar; aber man kennt wiederholte Bassfiguren jedenfalls schon aus dem 13. Jahrhundert. Dann sind vor allem aus Italien ab Ende des 15. Jahrhunderts viele dieser äußerst beliebten Formen belegt. Dort entwickelten sie sich wohl aus den wiederholten Harmoniefolgen einfacher Re- naissancetänze. Bestimmte Bass- oder Har- moniemodelle bekamen im Laufe der Zeit dann Eigennamen und heißen, je nach Land, Rhythmus, Melodie und Mode etwa Roma- nesca, Folia, Passamezzo, Chaconne, Spag- noletta oder Pavana - obwohl man sie alle immer noch unter demÜberbegriff Ground subsumieren kann. Die Länge eines Grounds ist übrigens relativ variabel. Der wohl kürzeste der Musikge- schichte stammt von William Byrd, heißt The Bells und besteht aus exakt zwei Tönen. Dann gibt es Grounds, die einen oder meh- rere Takte lang sind - oder auch mal Halb- takte, so dass sich der Schwerpunkt im Takt immer wieder verschiebt. Andere Grounds sind mehrstimmig, so dass die unteren Stim- men gemeinsam für den repetitiven Teil ei- ner Komposition verantwortlich sind, wäh- rend eine oder mehrere Oberstimmen dar- über jubilieren. Und weil die Engländer ihren Ground ganz besonders liebten, nannten sie gleich eine ganze Gattung so. Beispielsweise bei Henry Purcell kann man also Stücke finden, die etwa Ground in c oder A Ground in Gamut heißen. Purcell benutzte das Modell aber auch gerne für Vokalwerke - wie übrigens auch Claudio Monteverdi, von dem einige der berühmtesten Exemplare der Musikge- schichte stammen. Weitere kennt man von Pachelbel - zum Beispiel dessen Kanon -, Bach, Mozart oder auch noch Alban Berg. Daraus kann man schon ersehen: Ausgestor- ben ist diese äußerst beliebte Gattung nie, sondern sie taucht sogar noch in moderner Unterhaltungsmusik auf - je nach Genre un- ter Bezeichnungen wie Loop, Riff oder Vamp. Allerdings dann doch nicht mehr ganz so genial und virtuos wie vor 400 Jah- ren bei Monteverdi! Das war ein Beitrag von Andrea Braun und hier kommt ein Ground von Henry Purcell. Musik: Curtain tune (Barokksolistene, CD) Ein Ground von Henry Purcell, zum Groo- ven gebracht von den norwegischen „Ba- rokksolistene“. Und die haben dieses Stück auch heute Nacht gespielt, im Regensburger Jazzclub und Kulturzentrum „Leerer Beutel“ und dort mit einer „Alehouse Session“, also mit Musik aus barocken Tavernen und Pubs, die Nacht zum Tag gemacht. Überhaupt die Nachtkonzerte: Sie verleihen den Tagen Al- ter Regensburg eine ganz besondere Note, eine ganz besondere Atmosphäre – egal, ob Barokksolistene im Leeren Beutel

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