Tage Alter Musik – Almanach 2018

es dort so ausgelassen zugeht wie in der ver- gangenen Nacht oder so ernst und konzen- triert wie am Freitag in der kühlen Schotten- kirche mit dem britischen Ensemble Ala- mire. Musik: Mouton, Celeste beneficium (Alamire) Die Motette „Celeste beneficium“ von Jean Mouton. Sie ist aufgezeichnet in einer der schönsten Musikhandschriften des 16. Jahr- hunderts, konzipiert und illustriert von ei- nem gebürtigen Nürnberger: Petrus Ala- mire, nach dem sich auch das Alamire En- semble benannt hat. Ensembleleiter David Skinner hat sich für das Konzert in Regens- burg die interessantesten Stücke aus diesem opulenten Chorbuch herausgepickt. ” O-Ton David Skinner: „Petrus Alamire war nicht nur ein Kopist, sondern auch ein Kaufmann – und ein Spion! Ein Doppelagent, für Heinrich VIII. – und gegen Heinrich VIII. Er hat einige Rei- sen nach London unternommen, und bei einer dieser Gelegenheiten hat er dem König dieses spezielle Chorbuch übergeben. Es ist ein Brief überliefert, in dem Alamire an den Premierminister von Hein- rich schreibt, dass er kein Geld da- für bekommen habe. Wir erklären uns das so, dass Heinrich wohl da- hintergekommen ist, dass Alamire als Doppelagent und somit auch gegen Heinrich gearbeitet hat. Irgendwie ist es ja auch eine ro- mantische Vorstellung, dass Musi- ker eigentlich perfekte Spione sind. Sie kommen von einem Königshof zum nächsten und sie sind total unverdächtig. Schließlich sind sie ja doch Musiker - wie sollten die gefährlich sein!“ Musik: de la Rue, Ave Regina (Alamire) Das Ensemble Alamire und das English Cor- nett and Sackbut Ensemble am vergangenen Freitag in der Regensburger Schottenkirche mit einer Motette von Pierre de la Rue aus dem berühmten Chorbuch von Petrus Ala- mire. Wer an diesem Wochenende in aller Herrgottsfrühe am Regensburger Reichssaal vorbeiging, der konnte durch die dünnen Fensterscheiben zauberhafte Geigenklänge hören. Denn drinnen probten Meret Lüthi und ihr Ensemble Les Passions de l’ame für ein Konzert mit Sonaten des Salzburger Ba- rockkomponisten Heinrich Ignaz Franz Bi- ber. Und als Meret Lüthi dann am Samstag- abend direkt von den Proben zu uns ins Stu- dio kam, hatte sie nicht nur einen, sondern gleich vier Geigenkästen dabei - und erklärte mir auch gleich, warum. ml: Wir machen ein sonderbares Experi- ment. Mein Wunsch war schon immer, dass dieses Evènement der Instrumentenmärkte an Musikfestivals, dass die eine Verbindung fin- den zum Podium und dass die Instrumente, die da vorhanden sind, auch im Konzertsaal zu erleben sind…… Also hier in Regensburg gibt es auch immer so eine Instrumentenaussstellung im Salz- stadel, wo Instrumentenbauer ihre Instru- mente ausstellen. ml: Genau. Und man könnte die dann da ausprobieren. Ich dachte, das wär doch toll, wenn diese Instrumente fürs Publikum hörbar werden. Ich hab mir quasi diese Sonderdiszi- plin ausgedacht. Das sind nämlich skordierte Geigen, also bei dieser Sonatensammlung „Harmonia artificiosa-ariosa“ von Biber braucht es immer ein Geigenpärchen, und jede Sonate verlangt eine andere Stimmung. D.h. Sabine Stoffer und ich haben jetzt gestern Abend acht neue Geigen erhalten, die wir zum ersten Mal in unserem Leben in den Händen halten konnten. Im Frühstücksraum von un- serem Hotel haben wir es uns gemütlich ge- macht; alle diese acht Geigen ausgelegt, viel gespielt, viel verglichen, immer kurz nachein- ander und dann diskutiert, welche Geige passt zu welcher Scordatura…. …also zu welcher Stimmung oder Umstim- mung, die Biber für das jeweilige Stück vor- schreibt… ml: …und nach anderthalb Stunden hatten wir die Verteilung gemacht, wer was spielt, welche Geige, welche Scordatura, und dann ging‘s ab ins Hotelzimmer bis um zehn. Das war dann wie vier Liebhaber an einem Abend, das ist ziemlich anstrengend… Jede Geige verlangt natürlich ein bisschen eine an- dere Einstellung der linken Hand, was wir morgen blitzschnell abrufen können müssen, ohne dass irgendwer vermutet, dass wir die Geigen nicht lange kennen würden…. Ist das nicht auch ein gewisses Risiko? ml: Doch – aber ich liebe das Risiko, das ist eine Grundregel in meinem Leben, ich will keine Momente kopieren, ich will immer neu schöpfen, ich will immer wieder von neuem offen sein für Ereignisse, und auch für Nich- tigkeiten, und ein solches Experiment, das ver- BR Klassik 25 Alamire & The English Cornett & Sackbut Ensemble, Leitung: David Skinner

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