Tage Alter Musik – Almanach 2018

BR Klassik 26 langt ein absolutes Offensein fürs Schicksal und da passieren die schönsten Momente. Sie haben ja begonnen, ursprünglich ganz klassisch-konventionell Geige zu spielen, ha- ben auch bei Walter Levin studiert, der mit dem La Salle-Quartett Musikgeschichte ge- schrieben hat und viel zeitgenössische Musik gespielt hat. Wie kam es dann zur Entschei- dung für die Alte Musik? Wie haben Sie ge- merkt, das ist meine Welt? ml: Ich hab drei Jahre Streichquartett stu- diert, das hieß, möglichst jeden Tag proben zusammen, im Sommer wochenlang zusam- men unterwegs sein, wirklich diese Streich- quartett-Intensivschule, wo man möglichst in einem Zimmer schläft, also wirklich um alles zu teilen. Und dann gab‘s parallel dazu in der Hochschule Barockprojekte. Und ich war da als Konzertmeisterin eingeteilt und hab plötz- lich gemerkt: mein Bedürfnis zu tanzen, wel- ches ich immer unterdrücken musste beim Musizieren, das war da gefragt. Und wie da plötzlich die Innenblockaden einfach wegge- fallen sind, und ich fühlte mich vollkommen. Ich fühlte mich nicht mehr im Korsett der Zwänge, sondern ich fühlte: Wow, da bin ich zu Hause. Und ich hab mich so wohlgefühlt, dass da der Entschluss gefallen ist, ich will noch Barockgeige studieren, ich will meinen Horizont ganz neu öffnen und nochmal ein neues Gebiet betreten. Und ich merk’ eigent- lich jetzt: jeden Tag soll man neue Gebiete be- treten; es ist nie abgeschlossen. Dieses Tanzen, dieses „das Korsett ablegen“: das spürt man auch in Konzerten mit Les Passions de l’Ame – diese Freiheit, aber auch diese Energie, diese Freude. Es vermittelt sich so eine Leichtigkeit. Was ist da Ihr Er- folgsrezept? ml: Kein Musiker soll wie in einer Korsage auf der Bühne sitzen! Es ist wichtig, dass das Zwerchfell irgendwie, wie bei einer Sängerin, in gleicher Aktion ist, von allen Musikern… Wie erreichen Sie das? ml: Indem ich selbst eigentlich vorbildlich entspanne beim Spielen. Ich bin in den Proben zwar unglaublich streng, vermischt mit ganz viel Humor, ich bin ein vergnügter, lustiger Mensch, aber dann im Konzert hab ich ge- lernt, wirklich im Moment zu leben und, wenn was passiert, nach vorne zu schauen, nie darüber nachzudenken. Und vor allem bin ich bereit, im Konzert sämtliche Türen aufzustoßen. Und das wissen meine Musike- rinnen und Musiker, und das macht diese Neugierde: welche Türen entdecken wir heute neu? Sie wollen immer Neues erleben, in der Schweiz sind Sie z.B. auch regelmäßig zu Gast in einer Radiosendung. Haben Sie Lust, das nächste Stück anzusagen? ml: Ja! Meine sehr verehrten Zuhörerinnen und Zuhörer, schön, dass Sie heute mit dabei sind! Es geht gleich weiter in A-Dur, aus der Harmonia Artificioso Ariosa die Partita Nr. 3; aus dieser wunderbaren Sammlung von Bi- ber hören Sie die Ciacona. Es beginnt mit dem Psalterion: Margit Übelacker. Musik: Biber, Partita Nr. 3 Canon (Passions de l’Ame, CD) Die Ciacona aus der Sammlung „Harmonia Artificioso Ariosa“ von Heinrich Ignaz Franz Biber, gespielt von Meret Lüthi und „Les Pas- sions de l’ame“. – Auch der große Johann Se- bastian Bach stand mehrfach im Fokus bei den diesjährigen Tagen Alter Musik Regens- burg, und das vielleicht ungewöhnlichste und interessanteste Programm hatte Robin Peter Müller zusammengestellt vom La Folia Barockorchester: es ging in diesem Konzert in der Dreieinigkeitskirche um Bach-Bear- beitungen, aber diesmal nicht – wie sonst so oft – um Neubearbeitungen von Bachschen Werken, sondern umgekehrt: umWerke an- derer Komponisten wie Palestrina oder Du- rante, die Bach abgeschrieben und für den Eigengebrauch bearbeitet hatte. Ein span- nendes Repertoire, das selten zu hören ist. ” O-Ton Robin Peter Müller: „Wenn man davon ausgeht, was Bach für ein Genie gewesen ist – diese Überraschung zu haben, dass er sich vorrangig Zeitgenossen, aber auch frühere Komponisten heran- gezogen hat und diese Werke um- gearbeitet hat! Er wäre ja auch dazu in der Lage gewesen, im Stil desjenigen zu komponieren oder eine ganz eigene Sache zu ma- chen. Für mich ist das Faszinie- rende an dem Programm, dass je- mand wie Johann Sebastian Bach andere Komponisten studierte und uns heute dadurch das Ge- fühl gibt, dass auch ein Genie im- mer lernen wollte!“ Musik: Conti, O vulnera (La Folia) Bach oder nicht Bach – das war hier die Frage in diesem Konzert mit dem La Folia Barockorchester und dem Ensemble Poly- harmonique unter der Leitung von Robin Peter Müller. Hier sang Jowoon Chung eine Arie von Francesco Bartolomeo Conti, die Meret Lüthi nach dem Konzert von Les Passions de l'Ame im Reichssaal

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