Tage Alter Musik – Almanach 2018

Der Neue Tag 33 Gleich zwei Konzerte beschäftigen sich mit dem Thema „Arrangement“. Zum einen: Bach bearbeitet Musik von Kollegen. Zum anderen: Komponisten bearbeiten Musik von Bach. Zum Ersten vermittelt das Barockorchester „La Folia“ und das 6-köpfige Vokalensemble „Polyharmonique“ erhellende Erkenntnisse über Quellen, aus denen Bachs Musik schöpft. Sie lassen staunen, wie interessiert er die europäische Musikkultur verfolgte, ohne andere Länder zu bereisen. In Weimar profitierte er von der Notensammlung des italien-freundlichen Prinzen Johann Ernst von Sachsen-Weimar, später von besten Kontakten nach Dresden zu Heinichen und Jan Dismas Zelenka, aus dessen Notenbe- stand er handschriftlich kopierte. Überaus geschickt arrangierte er Werke von Kollegen für seine aktuell verfügbaren Besetzungen, fügte Instrumentalstimmen zu Vokalmusik, ergänzte Teile, modifizierte Stücke für an- dere Instrumente (Oboenkonzert zu Cem- balo solo): Palestrina (Missa sine nomine), Peranda (Missa in a), Kuhnau (Der Gerechte kommt um), Durante (Missa in c), Marcello (Oboenkonzert d-Moll, bewegend, mitrei- ßend Tatjana Zimre), um nur einige zu nen- nen. Hinreißend: La Folia & Polyharmonique Hellwach, allzeit bereit zu virtuosen Eskapa- den Ensemble-Chef Robin Peter Müller, wunderbar dezent die drei Posaunen, ge- schmeidig das reichhaltig besetzte Continuo. Von lichter Klarheit durchströmt das locker und luftig singende Vokalensemble mit sei- nem Spiritus Rector, dem Altus Alexander Schneider, der ausgerechnet bei der mit nob- ler Eleganz musizierten Motette „Lobet den Herren alle Heiden“ BWV 230 klanglich et- was im Schatten verbleibt. Seelenvoll bewe- gend Joowon Chung in „Languet anima mea“ von Conti / Bach. Mit improvisatorischem Freigeist: Atlantique Dem zweiten Aspekt widmet sich das „En- semble Baroque Atlantique“ aus Frankreich. Sie legen nur zwei originale Werke auf, die Concerti a-Moll BWV 1041 für eine und d- Moll BWV 1043 für zwei Soloviolinen, Streicher und Basso continuo. Der Chef der Gruppe, Guillaume Rebinguet Sudre (mit Louis Creac’h), musiziert sie mit sensitiv- sprechendem Ton und blühender poe- tischer Fantasie, die den freien Geist der Im- provisation atmet. Einige Intonationstrü- bungen seien nicht verschwiegen. Jedem Concerto stellen sie eine langsame Bearbei- tung voran: Ein Präludium für zwei Violi- nen nach der e-Moll-Sonate BWV 1023 (wunderbar auf dem Orgelpunkt d erwa- chend), oder eine Sinfonia nach der Kantate BWV 12. Fördern diese Implantate die Wir- kung der 3-sätzig konzipierten Konzerte? Wurden da nicht Dackel vor Lastwagen ge- spannt? Dann das Cembalokonzert A-Dur BWV 1055 in Transkription für ein 5-saitiges Vio- loncello. Étienne Mangot darf sich mit un- angenehmen Dreiklangsbrechungen ausein- andersetzen, die zwar den Cembalisten, nicht aber den Cellisten gut in der Hand lie- gen. Die fünfte hohe Saite strahlt klar, die tie- fen Passagen sind nur als Grummeln zu ver- nehmen, es droht Konflikt mit der General- bassstimme. Die Transformation der Orgel-Triosonate G- Dur BWV 530 zu einem Concerto und ihre spielfreudige, geistsprühende Interpretation der französischen Musiker möchte man hin- gegen jedem Organisten als Schutzimpfung gegen den epidemischen Virus akademisch staubtrockenen Spiels anraten. Musik in Bearbeitung – Re-Formationen der anderen Art Von Peter K. Donhauser Ensemble Baroque Atlantique in der Alten Kapelle

RkJQdWJsaXNoZXIy OTM2NTI=