Tage Alter Musik – Almanach 2018

Der Neue Tag 35 Vox Luminis in St. Emmeram Das belgische Ensemble Vox Luminis unter Lionel Meunier präsentierte in St. Emmeram die fünf großen, zweifelsfrei von Bach kom- ponierten Motetten und zwei Sinfonias aus den Kantaten BWV 42 und 249. Ohne gro- ßes Gebrause, Wind und pfingstliche Feuer- zungen gerät der Auftritt zu einer von cha- rismatischer Spiritualität erfüllten Stern- stunde. Die Bach-Motetten mit ihren extre- men stimmlichen Anforderungen und der dicht verzahnten Polyphonie mit bis zu acht Stimmen stellen einen Gipfel ihrer Gattung dar. Da bei zweien auch Instrumentalstim- men colla parte mit den Singstimmen über- liefert sind, liegt eine Ausführung mit Gene- ralbass und Instrumenten nahe. Vox Lumi- nis stellt dem einen Chor Streicher, dem an- deren Oboen, Taille und Fagott zur Seite, die fünfstimmige Motette „Jesu meine Freude“ BWV 227 musiziert man nur mit General- bass. Die Instrumentalisten erweisen sich als Meister der Begleitkunst, farbgebend, abrun- dend, im Forte stärkend, nie auch nur im Ansatz zu laut, nie die exemplarische Text- verständlichkeit trübend. Näher, mein Bach, zu Dir! Vox Luminis singt alle Motetten in solisti- scher Besetzung, der Alt ist dank der Coun- tertenöre zu einer „hohen“ Stimme geadelt. Was diese acht perfekten Barockgesang-Spe- zialisten unter dezenter Impulsgebung des Chefs und Basses Lionel Meunier abliefern, sucht weltweit seinesgleichen. Wir hören lichtklare, mit allen Finessen der Rhetorik vertraute Vokalisten, mit perfektem Stimm- sitz in allen Lebenslagen, mit „gar geläufigen Gurgeln“ (wie es Bach formulierte). Makel- und mühelos absolvieren sie die heiklen Sprünge, die extremen Register, die windes- schnellen Melismen und das alles fern jeder Erdenschwere oder schweiß-getränkter schwüler Glaubens-Inbrunst. Die in bestem Teamgeist durchgehörte, kristallklare Vokal- polyphonie grenzt an ein Wunder, in rein- stem Glanz strahlen die Schlussakkorde. Bach, auf Dich traue ich! Dabei setzen sie auf Natürlichkeit, vertrauen auf die Kraft der Bach’schen Satzkünste bei den homophonen Chorälen, ohne diese durch publikumswirksame Textdeutung un- nötig aufzuplustern; stattdessen klingen sie rhythmisch wie befreit aus dem Gefängnis- gittern der Taktstriche. Überirdisch-himm- lische Jubelgesänge in „Singet demHerrn ein neues Lied“ BWV 225. Wie vom Spirito Sancto durchpulst „Der Geist hilft unser Schwachheit auf “ BWV 226. Ernst und seel- sorgerisch aufrichtende Heilserwartung in „Jesu meine Freude“ BWV 227, weder wei- nerliches Lamentieren noch showträchtige Klangmalerei, wenn es „kracht und blitzt“ oder man dem „alten Drachen trotzt“. Für- sorgliche geistliche Autorität, wenn Gott spricht, in „Fürchte dich nicht, ich bin bei dir!“ BWV 228. Von ergreifender Innigkeit, wieder frei von jeglicher schwülstiger Lar- moyanz „Komm, Jesu, komm“ BWV 229. Die Instrumentalisten zeigen zwischendrin bei den Sinfonien ihre solistischen Qualitä- ten, allen voran der fabelhafte Oboist Jasu Moisio. Am Schluss doch noch „Brausen“, hingeris- sener Applaus. Vox Luminis – und es ward Licht! Von Peter K. Donhauser

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