Tage Alter Musik – Almanach 2019

In Regensburg gibt es immer lange Schlan- gen vor den Konzertenorten zu den Tagen Alter Musik. So auch vor St. Ägidius, der Deutschordenskirche, die zu einem riesigen Klosterkomplex gehört. Dort hieß es am Pfingstsamstag „ausverkauft“. Es lockte das Angebot von Madame Corriveau: Sie heißt mit Vornamen Mélisande, was hervorra- gendzur Eleganz des Instruments passt, das sie vorstellte und das kaum bekannt ist – der Pardessus de viole. Dabei war dieser das Modeinstrument Mitte des 18. Jahrhunderts bei Adeligen in Versailles. Alles ist ein bisschen kleiner an dieser „Da- men-Violine“, dieser kleinsten Gambe, die es gibt. Dementsprechend spielt man sie zweifellos ganz schicklich zwischen den Knien, und sie klingt so, wie in der barocken Musik beabsichtigt: mit einem ganzen Arse- nal tiefster Gefühle, äußerst ausdrucksvoll. Der Pardessus de viole kann tänzerisch be- weglich sein und gibt barocker Musik einen sehr intensiven Erlebnishintergrund – vom Cembalo (Eric Milnes aus New York) beglei- tet ist das ein ganz exquisites Erlebnis. Ein paar Klostergärten weiter und noch ein paar Jahrhunderte zurück in Regensburgs und Bayerns Geschichte: St. Emmeram war der Schauplatz für die Eröffnung des Festi- vals, auch für das Ende der Ära Roland Büchner, des Leiters der Regensburger Domspatzen. Dort fand auch ein Abend zu Ehren Leopold Mozarts und seines 300. Geburtstags statt. Na- türlich feiern ihn auch Augsburg als Geburt- sortoder Salzburg als sein Lebensmittelpunkt, man erlebt ihn derzeit auch dauernd in Insze- nierungen von Idomeneo oder Don Giovanni als dominante Vaterfigur, die sowieso an allem schuld war.Aber seine eigene Musik? Für die bieten die „Tage Alter Musik“ die versammelte Kompetenz der Regensburger Domspatzen und der Münchner Hofkapelle mit ihren bei- den Dirigenten auf (Rüdiger Lotter für Leo- polds Neue Lambacher Sinfonie ). Leopold Mozarts Zeit war auch die des Par- dessus de viole. Aber es ging dem Kapell- meister des Fürstbischofs ja nicht um intime Wirkungen für den adeligen Damensalon, sondern mit der Missa solemnis C-Dur um ein prächtiges Stück für erzbischöfliche An- sprüche und Salzburger Dom-Dimensionen, um Sopran-Strahlkraft (bestens: Katja Stu- ber), auch um spanisch-düstereRatschen in der Karfreitagsmusik des Crucifixus , umKo- loraturen-Herrlichkeit beim Resurrexit -Jubel und ein durchaus innovatives Agnusdei ohne alles düstere Verdämmern. Auch hier also wie an allen Festivaltagen die authentische Stimmigkeit von Werken und Besetzungen. 14 Wunderbare Wiedererweckung der kleinsten Gambe // Autor: Uwe Mitsching Mélisande Corriveau und Eric Milnes in der Deutschordenskirche St. Ägidius

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