Tage Alter Musik – Almanach 2019

Unvorhergesehene Zwischenfälle haben die Leiter der Tage Alter Musik Regensburg, Ludwig Hartmann und Stephan Schmid, im Vorfeld der 35. Ausgabe des Festivals ziem- lich auf Trapp gehalten. Zum einen musste Ersatz gefunden werden für die Dreieinig- keitskirche, ein wichtiger Konzertort. Sie musste geschlossen werden, weil der Putz von der Decke fiel. Zum anderen musste Er- satz gefunden werden für die Matthäus-Pas- sion mit der französischen Gruppe Akadê- mia. Zugesicherte Zuschüsse des frz. Staates flossen dann doch nicht, so dass dieses Pro- jekt für die Macher der Tage Alter Musik Re- gensburg nicht mehr zu stemmen war. Ein herber Schlag, denn viele Festivalbesucher hatten sich gerade auf dieses Konzert ge- freut. Bewegend waren die 35. TAM auch, weil es für den Domkapellmeister Roland Büchner der letzte Auftritt dort war. Seit 2007 ist es Tradition, dass er zusammen mit den Regensburger Domspatzen das Festival eröffnet. „Meine Gefühle so, wenn ich die Bu- ben anschaue sind schon ein bissl wehmütig. Mensch, diesen Klang haste dann jetzt nicht mehr alle Tage, auf der anderen Seite habe ich auch Verantwortung nicht mehr für das ganze Haus. Ich werde die Kinder fürchterlich ver- missen, das ist mir schon klar,“ sagt Domka- pellmeister Roland Büchner. Zusammen mit seinen Regensburger Domspatzen und der Hofkapelle München hat er zur Eröffnung die Missa solemnis in C-Dur von Leopold Mozart musiziert, ein Werk, das man nicht alle Tage geboten bekommt und ein erster Hinhörer bei diesem Festival. Da Roland Büchner im Herbst in den Ruhestand geht, war es sein letzter Auftritt bei den TAM und seine Domspatzen haben sich deshalb noch- mal so richtig ins Zeug gelegt. Es ist Tradition, dass die Domspatzen das Eröffnungskonzert bei den TAM gestalten, Tradition hat auch die große Vielfalt an unterschiedlichen Konzertprogrammen während dieser vier Festivaltage. Spezial– Konzerte wie zum Beispiel das der kanadi- schen Gambistin Mélisande Corriveau, die auf der Pardessus de viole, dem kleinsten In- strument der Gambenfamilie, französische Musik sehr fein und sehr edel im Klang mu- siziert hat. Oder das Freiluftkonzert von Ze- firo, die Musik für Oboe Band präsentiert hat, oder der südamerikanisch-spanische Abend mit geistlichen und populären Lie- dern, musiziert vom Chœur de Chambre de Namur und der Cappella Mediterranea. Mitreißend und vital haben die zwei belgi- schen Ensembles musiziert und damit den Festivalbesuchern einen kurzweiligen Abend bereitet. Solche Konzerte, die einen von An- fang bis Ende packen, gab es nicht allzu viele in diesem Jahr, aber trotzdem hat man Be- sonderes entdecken können: etwa das In- Alto-Ensemble, das mit butterweichem Po- saunen- und Zinksound den Gesang des En- sembles Utopia veredelt hat, oder den polni- schen CembalistenMarcin Świątkiewicz, der das d-Moll Cembalokonzert von Johann Gottlieb Goldberg mit seiner eleganten Vir- tuosität zum Leuchten gebracht hat. Wie groß die Kraft der Musik ist, wenn bei der Interpretation einfach alles passt, hat vor allem der Abend mit den ORA Singers ge- zeigt. Das große a-cappella-Ensemble aus Großbritannien hat Miserere-Vertonungen von Allegri, Byrd, Tallis und den zeitgenös- sischen Komponisten Wolfram Buchenberg und James MacMillan gesungen. Faszinierend, wie souverän Suzi Digby und ihre ORA Singers mit dieser schwierigen Akustik des Domes, der 13 Sekunden Nach- hall hat, umgegangen sind. Egal, ob es um die rhythmischen Finessen eines Byrd oder die klangintensiven Momente eines McMillan ging: auch in der Mitte des Domes sitzend hat man jede Nuance der ORA Singers hören und vor allen Dingen genießen können. Ein berührender Abend und ein Highlight der Tage Alte Musik Regensburg in diesem Jahr. 16 Bilanz – Tage Alter Musik Regensburg 2019 // Sendung: Allegro // 11. Juni 2019 Autorin: Ilona Hanning Zefiro Oboe Band im Innenhof des Thon-Dittmer-Palais

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