Tage Alter Musik – Almanach 2019

Jedes Jahr an Pfingsten ist es wieder soweit: Da verwandelt sich die Bischofsstadt Re- gensburg ins Mekka der Alten Musik. 16 Konzerte an vier Tagen, 8000 verkaufte Ti- ckets, dazu eine große Instrumentenausstel- lung mit Dudelsäcken, Zinken und sogar ei- nem Clavichord zum Selberbasteln – das sind die 35. Tage Alter Musik. Und wir sind mit dem Tafel-Confect dabei – heute live aus dem BR-KLASSIK-Studio in Regensburg. Herzlich willkommen sagt Thorsten Preuß. Und zu Beginn gleich ganz frisch ein Kon- zertmitschnitt von gestern Abend: In der Ba- silika St. Emmeram begeisterten der Choeur de chambre de Namur und die Cappella Me- diterranea mit diesem Stück über den Stier- kampf. Musik: Salga el torillo Ein musikalischer Stierkampf von Diego Jose de Salazar, gestern Abend bei den Tagen Alter Musik Regensburg im Konzert der Cappella Mediterranea und des Chœur de chambre de Namur unter der Leitung von Leonardo García Alarcon. Der argentinische Dirigent hatte ein Programmmit lateiname- rikanischer Barockmusik mitgebracht. ” O-Ton L. G. Alarcon: Man muss sich die lateinamerikanische Mu- sik von damals so vorstellen: man nehme die groß angelegte Musik von Tomas Luis de Victoria, Cris- tobal Morales, Francisco Guer- rero usw., also die große, mehr- chörige spanische Polyphonie – und füge Rhythmen aus der Zeit vor der Kolonisation hinzu. Man findet also in Peru oder Mexiko eine sehr konservative Polypho- nie, wie in Rom – aber mit folklo- ristischen Rhythmen! Übrigens ist die gesamte lateinamerikanische Folklore heute noch immer mit der damaligen Musik, mit der spanischen Renaissance- und Ba- rockmusik verbunden. Die latein- amerikanische Barockmusik ist sehr rhythmisch, sehr farbig, mit Percussion und Gitarren instru- mentiert – das war damals wirk- lich ein großes Fest in der Kirche! Musik: Vaya de gira Begeisterter Applaus für den Chœur de chambre de Namur aus Belgien und die Cappella Mediterranea unter Leonardo Gar- cia Alarcon und für dieses Stück aus der Fe- der von Juan de Araujo, der zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Bolivien wirkte. Musiker aus der ganzen Welt sind jedes Jahr zu Gast bei den Tagen Alter Musik Regensburg – die weiteste Anreise hatten diesmal die Gambis- tin Mélisande Corriveau und der Cembalist Eric Milnes: 6100 Kilometer von Montreal nach Regensburg. Der Weg hat sich aber ge- lohnt, denn die die beiden treten auf Einla- dung von Festivalchef Ludwig Hartmann an diesem verlängerten Wochenende gleich dreimal auf: einmal im Duo und zweimal mit ihrem Orchester L’Harmonie des Sai- sons. Warum sie immer wieder gern nach Regensburg kommen, haben mir Eric Mil- nes und Mélisande Corriveau vor der Sen- dung erzählt - bei ihrem Besuch hier im BR- KLASSIK-Studio: E ric M ilnEs : Ich bin zum 3.Mal hier beim Festival in den letzten 12 Jahren. Ich will hier mal eine Lanze brechen für Ludwig Hart- mann, der ein großartiger Enthusiast ist und immer auf der Seite der Musiker steht. Wir fühlen uns hier so wohl! Wir können hier wirklich einfach Musik machen, die Bedin- gungen dafür sind gegeben. Für mich als Cembalist ist es zum Beispiel toll, dass ich hier auf wirklich guten Instrumenten spielen kann. Und die Konzertorte sind ganz wunderbar. M élisandE c orrivEau : Ich stimme Eric da voll zu. Es ist auch eine sehr schöne Stadt, ins- besondere für uns Nordamerikaner. Ich möchte hier noch das fabelhafte Publikum er- wähnen. Die Konzerte sind ausverkauft, und die Leute sind total still – ich hab da echt eine gute Verbindung mit dem Publikum gespürt. Thorsten Preuß: Sie haben am Samstagvor- mittag in Ihrem ersten Konzert ein ganz be- sonderes Instrument vorgestellt – es hat die Größe einer Geige, ist aber keine… M élisandE c orrivEau : Da habe ich das kleinste Familienmitglied der Gamben-Familie gespielt. Eric und ich haben sehr selten zu hö- rende Musik gespielt, Musik für den sogenann- ten Pardessus de Viole. Er wurde vor allem von Frauen und Adligen gespielt, und zwar anstelle der Geige. Die Geige war damals in Frankreich nicht sehr hoch angesehen, und es galt für Frauen und Adlige als unfein, Geige zu spielen. Aus Italien sind dann aber virtuose Geiger nach Frankreich gekommen, die sind im Pariser Concert spirituel aufgetreten und waren rasch in Mode. Und damit die Gambisten dann auch diese großartige Violin-Musik spielen konnten, sind sie auf den Pardessus ausgewichen. Es war ihr Zugang zu Musik im italienischen Stil. Aber sie haben dann eben Gambe gespielt, das gesell- schaftlich „korrekte“ Instrument. Thorsten Preuß: Um einen Klangeindruck zu bekommen, hören wir gleich mal ein Stück für Pardessus de viol von Ihrer ge- meinsamen CD. Musik: La Tourolle Thorsten Preuß: Das war „La Tourolle“ von Louis de Caix d’Hervelois, gespielt von Mé- lisande Corriveau und begleitet von Eric Milnes. BeimKonzert am Samstag war deut- lich spürbar, wie sehr Sie mit dieser Musik vertraut sind; Sie haben zeitweilig auch die Augen beim Spielen geschlossen. Was schät- zen Sie an diesem Repertoire? 18 BR-KLASSIK „Tafel-Confect“, live von den 35. Tagen Alter Musik Regensburg 10. Juni 2019, 12.05 – 14.00 Uhr // Autor: Thorsten Preuß

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