Tage Alter Musik – Almanach 2019

zu Ende ist, denkt man: „Das hast du nicht mehr oft, diesen schönen Klang, diese Buben und ein wunderbares Orchester“. Es ist schon ein bisschen Wehmut dabei - aber dann geht das nächste Stück los, dann ist es weg. Thorsten Preuß: Man merkt den Buben auch an, dass sie Freude haben zu singen, dass Sie auch einen guten Draht zu den Kindern ha- ben und immer gehabt haben. Wie wichtig ist Ihnen das, und wie gelingt Ihnen das? r oland B ücHnEr : Ich bin gern mit den Kin- dern zusammen und hör mir gern auch ihre Probleme an und versuch sie wirklich dabei ernst zu nehmen – und teile auch ihre Freude. Und umgekehrt auch; wenn man diesen Draht hergestellt hat, dann kriegt man so viel zurück, weil die Kinder auch einen selber tragen. Also wenn z.B. in der Familie was war, Krankheit oder irgend solche Dinge, oder als meine Mut- ter gestorben ist, oder was auch immer: Die Kinder tragen einen durch ihre Anteilnahme so mit. Man ist ja nicht immer gut drauf, und ich hab auch schon mit 40 Fieber Konzerte di- rigiert, das ging nicht anders. Die Kinder ha- ben es natürlich gemerkt, und ich habe ihnen gesagt: ‚Leute, ihr müsst mich heute durch das Konzert bringen, das hilft alles nichts.‘ Und sie zeigen dann mit ihrer Mimik und Gestik: ‚Komm, mach dir keine Sorgen, das machen wir schon für Dich, das ist kein Problem!‘ TP: Die Kinder helfen also demChorleiter… Nun haben Sie gesagt, es gibt nicht nur Son- nenseiten – eines der schwärzesten Kapitel der Geschichte der Domspatzen wurde ja während Ihrer Amtszeit aufgedeckt: die Missbrauchsfälle. Was hat das mit ihnen ge- macht, diese Erfahrung? r oland B ücHnEr : Die Erfahrung hat mich reifer gemacht, die hat mich stärker gemacht, aber in dem Moment als das aufkam, 2010, da war das schon eine harte Zeit, und wir ha- ben nicht alles richtig gemacht am Anfang. Dieser Prozess, der hat mich schon stark ver- ändert; und ich kann ihnen auch ruhig sagen: wir haben mit diesen Opfervertretern wirklich jeden Monat lange, lange Sitzungen gehabt. Und zu meinem Abschied habe ich zwei von den Opfervertretern eingeladen. Also die sind dann in der Festversammlung mit dabei, ganz bewusst, weil man so vertraut geworden ist miteinander, man ist Freund geworden. Das macht einen auch stark und das ist gut. TP: Der öffentliche Druck war teilweise ja auch sehr groß - haben Sie da niemals ge- dacht: Das wird mir jetzt zu viel? r oland B ücHnEr : Nein – doch es gab schon immer mal wieder Tage, wo man denkt: muss das jetzt wieder….wo man eigentlich nur Mu- sik machen wollte. Dann war ich froh, wenn ich mit den Kindern im Chorsaal war und die gesungen haben, und ich wusste, als ich die ge- hört hab: ok, dafür macht man das. Und das hält man auch aus. TP: Wenn Sie auf ihre Amtszeit zurückbli- cken: Was waren denn Ihre Höhepunkte? r oland B ücHnEr : Es gibt Höhepunkte, die sind gemacht, zum Beispiel zwei Konzerte in der Sixtinischen Kapelle. Aber es gibt auch Höhepunkte, die kriegt man geschenkt. Die können in jeder Dorfkirche sein, das passiert über den Klang, den die Kinder spüren, den ich spüre, den die Zuschauer spüren - die ge- hören mit dazu, die Zuhörer. Wenn die inten- siv zuhören, das kriegt man mit, das hat man im Kreuz, wirklich. Im wahrsten Sinne des Wortes, das spürt man. Und diese Atmos- phäre, wenn die so entsteht, dann gelingen Höhepunkte, dann gelingen Konzert, wo man sagt: Wow, das war jetzt so cool. Und wie ge- sagt, die bekommt man geschenkt! TP: Sie haben sich jetzt für Ihr Abschieds- konzert bei den Tagen Alter Musik die Missa solemnis ausgesucht – aber nicht die von Beethoven, sondern die von Leopold Moz- art. Warum? r oland B ücHnEr : Vor ungefähr dreißig Jah- ren habe ich die Partitur zugeschickt bekom- men, um sie zu besprechen in einer Fachzeit- schrift, und ich war von dieser Vielfalt von Sti- len dieser Messe so fasziniert und hab gedacht: Mensch, die muss ich machen. Ständig bin ich über diese Partitur gestolpert, und irgend- wann hab ich dann gesagt: So, jetzt mach ich es aber auch. Die Vielfalt in dieser Komposi- tion ist unglaublich toll, auch die harmonische Kühnheit an manchen Stellen ist ganz über- BR Klassik 25 Die Regensburger Domspatzen und die Hofkapelle München beim Eröffnungskonzert in der Basilika St. Emmeram

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