Tage Alter Musik – Almanach 2019

Der Neue Tag 35 „Es ist vollbracht“: Am Sonntagabend star- tete in St. Emmeram unter Donnergrollen das letzte von 15 so gut wie ausverkauften Konzerten der „Tage Alter Musik“. La Rison- anza (Italien) spielte Buxtehude und Bach. Der Choral “Ach großer König, groß zu allen Zeiten“ aus Bachs „Johannespassion“ BWV 245 bildet den theologisch-thematischen Rahmen, er erklingt einleitend und als Zu- gabe. Auch die beiden weiteren Werke be- weisen wieder einmal das hochstehende Ni- veau der Programmkonzeption des renom- mierten Festivals: Ensembleleiter und Orga- nist Fabio Bonizzoni stellt „Membra Jesu Nostri“ Bux WV 75 (1680) von Dietrich Buxtehude (1637-1707) und die frühe Bach- Kantate BWV 150 „Nach Dir, Herr, verlan- get mich (um 1709) nebeneinander. Wir er- leben Musik, die Bach faszinierte, wir erfah- ren, wie er darauf reagierte. Sinnlich – besinnlich „Membra Jesu nostri“: Da vertont der Pro- testant Buxtehude einen lateinischen Text mit schwärmerisch-mystischemAkzent, der aus der mittelalterlichen „Rhythmica oratio“ stammt. Die sieben Teil-Kantaten behandeln mit einer durchaus erotisch anmutenden Sprache („O Liebender, den ich umarmen muss“) die sieben Gliedmaßen Jesu am Kreuz: Füße, Knie, Hände, Lende, Brust, Herz und Haupt. Die grandiose Musik-Meditation spendet Glaube und Hoffnung. Mit bewundernswer- ter Phantasie hat Buxtehude den umfangrei- chen Text auf den Punkt vertont. Die Musik lenkt die Gedanken auf das Passionsgesche- hen, führt durch Trauer, Empörung, Er- schütterung zur Erlösungs-Bitte „Wenn ich einmal soll scheiden, teurer Jesu, dann er- scheine mir“. Bei „La Risonanza“ und ihrem Spiritus Rec- tor Fabio Bonizzoni ist diese Musik in besten Händen. Traumwandlerisch sicher folgen Sänger und Instrumentalisten den häufigen Tempo-, Takt- und Affekt-Wechseln. Das gewitterschwangere Wetter fordert aller- dings häufiges Nachstimmen zwischen den Sätzen. Beispielhaft zusammengestellt ist das Fundament, der Basso Continuo: Grundie- rende Orgel, zeichnende Viola da Gamba, fundamentierende Violone, ausdrucksstarke Theorbe. Leuchtend-mild die Sopranistin- nen Aldona Bartnik und Francesca Cassi- nari. Faszinierend das Farbspektrum der Al- tistin Nausicaa Nisati von füllig-rund bis te- noral-herb. Strahlend präsent Tenor Raffaele Giordani. Erdig, glasklar und bestens ver- ständlich Bass Salvo Vitale. Vibrato setzt man dem Stil angemessen nur als dezente Verzierung ein. Überlegen – überzeugend Johann Sebastian Bach pflegt 30 Jahre später mehr Textdeutung, er gibt den Instrumen- talisten mehr solistisches Futter, so der den stürmenden Wind darstellenden Gambe in der Arie „Zedern müssen von den Winden oft viel Ungemach empfinden“. Geradezu suggestiv der zentrale Choral der fünf Sän- ger „Leite mich in deiner Wahrheit“. Genial der Schlusschor als Chaconne mit einem 4- taktigen Thema, aufsteigend von H nach Fis. Ein nachdenkliches, theologisches, philoso- phierendes Finale jung gebliebener Tage Al- ter Musik! Auf ein Neues, 2020 dann zum 36. Male! Pfingst-Meditation über die Passion Von Peter K. Donhauser La Risonanza in der Basilika St. Emmeram

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