Tage Alter Musik – Almanach 2019

Online Musik Magazin 55 schwierigkeiten von seiner besten Seite und ließ den Ausfall des ursprünglich geplanten Beitrags schnell vergessen. Aus der alten und neuen Welt Unter demMotto „Missa Mundi“ stellte das Ensemble Seconda Prati!ca im Reichssaal portugiesische Musik des 15.-17. Jahrhun- derts und ihren Einfluss auf die übrige Welt in den Mittelpunkt seiner Matinee. Die ka- tholische Weihnachtsmesse bildete gleich- sam den roten Faden, an dem entlang die jungen Musikerinnen und Musiker die Spu- ren dieses außergewöhnlichen Repertoires verfolgten. Polyphone Vokalmusik im typi- schen Stil der Renaissance stand neben folk- loristischen Werken und Improvisationen. Dem niederländischen Ensemble um Jona- tan Alvaro (Gitarre, Gesang) gelang eine atmosphärisch dichte Darbietung, die stets den Rahmen der musikalischen geistlichen Andacht wahrte. Zurück in bekanntere Bahnen lenkte Arte dei Suonatori das Festival amNachmittag in der St.-Oswald-Kirche. Das polnische Ba- rockorchester, bereits 2003 erstmals zu Gast in Regensburg, spielte Kompositionen von Georg Philipp Telemann, Johann Gottlieb Goldberg und Johann Sebastian Bach. Nach Telemanns Concerto polonois erreichte das Programm mit Goldbergs Cembalokonzert d-Moll sogleich seinen Höhepunkt. Dies war insbesondere dem herausragenden Spiel von Marcin Świątkiewicz zu verdanken, der so- wohl die anspruchsvoll virtuosen Hürden der Ecksätze souverän meisterte als auch den Mittelsatz als lyrischen Dialog mit dem Or- chester klug und lebendig gestaltete. Anders als die Hofkapelle München verzichtete Arte dei Suonatori bei Bachs Ouvertüre Nr. 3 auf die Bläserbesetzung. Doch klang das Or- chesterwerk ohne den festlichen Prunk der Oboen, Pauken und Trompeten in dieser schlichteren, quasi kammermusikalischen Fassung durchaus hörenswert. Auf eine „Klangreise in die Neue Welt“ nah- men der Chœur de Chambre de Namur und die Capella Mediterranea das Publikum am Abend mit. Im Zuge der Eroberung Latein- amerikas durch die Spanier hielt auch die Musik des Mutterlands Einzug auf dem süd- amerikanischen Kontinent und ging dort schon bald eine fruchtbare Symbiose mit den Idiomen der Indios und der schwarz- afrikanischen Sklaven ein. So entstand eine faszinierende, von temperamentvollen Rhythmen getragene Musikkultur, die bis heute fortlebt, deren Schöpfer, wie zum Bei- spiel Juan Araujo oder Tomas de Torrejon y Velasco heute jedoch allerhöchstens Exper- ten bekannt sind. Der Capella Mediterranea mit Mariana Flores (Sopran), David Sagas- tume (Altus), Valerio Contaldo (Tenor) und Matteo Bellotto (Bass) sowie einem achtköp- figen Instrumentalensemble und dem be- stens disponierten Chœur de Chambre de Namur gelang unter der Gesamtleitung von Leonardo García Alarcón (Cembalo) eine ebenso interessante wie kurzweilige Auffüh- rung – eine Sternstunde der diesjährigen Tage Alter Musik. Schon am Samstagnachmittag gab es ein Wiedersehen mit alten Bekannten. Piffaro, The Renaissance Band, 1993 erstmals zu Gast bei den Tagen Alter Musik in Regens- burg, kam zum nunmehr sechsten Mal an die Donau. Auf dem Haidplatz gab das En- semble ein Freiluftkonzert und pflegte so eine gute Tradition, durch die die Alte Musik – sonst nur an ausgewählten Orten dem zah- lenden Publikum vorbehalten – für jeder- mann hörbar in die Stadt getragen wird. Am späten Sonntagabend, eine gute Stunde vor Mitternacht, präsentierte das facettenreiche US-amerikanische Ensemble im Reichssaal deutsche Bläsermusik der Renaissance und des Frühbarock. Mit einer Vielzahl an In- strumenten wie Blockflöten, Schalmeien, Posaunen, Dulzianen, Pommern, Laute, Gi- tarre – um nur einige zu nennen – entführte Piffaro das begeisterte Publikum in die Welt der Stadtpfeifer. Es ist nach wie vor beein- druckend, mit welcher Selbstverständlich- keit die Musikerinnen und Musiker ständig zwischen den Instrumenten hin- und her- wechseln und auf gleich hohem Niveau weiterspielen. Nicht zuletzt haftet dieser Pra- xis ein großes, bewundernswertes Maß an Authentizität an. Die Frage nach der authentischen Auffüh- rung stellt sich angesichts der dürftigen Überlieferung stets bei mittelalterlicher Mu- sik, insbesondere wenn es um die Lieder der französischen Troubadours aus dem 12. und 13. Jahrhundert geht. Wie die Darbietung ei- nes Raimon Jordan, Bertran de Born oder auch der Beatriz de Dia geklungen haben, welche Instrumente zur Begleitung benutzt wurden, lässt sich wohl kaum noch ergrün- den. Dem Ensemble Céladon gelang es in der Matinee am Montagmorgen, dieses Re- pertoire, das besonders von der lyrischen Kraft der Worte lebt, dem heutigen Hörer nahezubringen. Die Akustik der Minoriten- kirche mit ihrem starken Nachhall ließ die meist einstimmigen Melodien schön zur Entfaltung kommen. Paulin Bündgens (Countertenor) und Clara Coutoulys (So- pran) angenehm leichte Stimmen wurden von Blockflöte (Gwénaël Bihan), Laute (Flo- rent Marie), Fidel oder Rehab (Nolwenn Le Guern) begleitet. Ludwin Bernaténé (Schlagwerk) sorgte für dezente rhythmische Akzente. Im Reichssaal, der zur Nachmittagsstunde einmal mehr tropische Klimabedingungen aufwies, präsentierte Le Caravansérail unter der Leitung von Bertrand Cuillier (Cembalo, Orgel) einen Querschnitt durch die engli- sche Theatermusik des späten 17. Jahrhun- Mariana Flores, Sopran; Carmina Latina

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