Tage Alter Musik – Almanach 2019

derts. Wie schon imHerbst 2018, als das En- semble bei den Tagen Alter Musik in Herne zu Gast war, zog insbesondere die junge Sän- gerin Rachel Redmond die Aufmerksamkeit auf sich. Mit ihrem flexiblen lyrischen So- pran und einem natürlichen Timbre sang sie Auszüge aus Bühnenwerken von Henry Pur- cell, Matthew Locke u.a. Insgesamt litt das Programm jedoch an einigen Längen, was nicht allein an der drückenden Hitze im Saal lag – nach „A Solitude“ von Purcell entledig- ten sich die Herren von Le Caravansérail verständlicherweise ihrer Jacketts –, sondern auch am Fehlen eines verbindenden „roten Fadens“. Dennoch wurden Rachel Redmond und ihre instrumentalen Mitstreiter nach „Adieu to the Pleasures“ von James Hart mit herzlichem Applaus gefeiert. Anschließend stand nochmals Lateiname- rika im Fokus der Tage Alter Musik. Schon am Eingang der St.-Oswald-Kirche be- grüßte Maria Cleary mit ihremHarfenspiel das Publikum zu einem hörenswerten Kon- zert. Auf dem Programm des kanadischen Ensembles L’Harmonie des Saison stand die „Musik der goldenen Städte“, die sich rasch zu wahren Metropolen entwickelt hatten. Mexiko-City zählte bereits Mitte des 17. Jahrhunderts über einhunderttausend Ein- wohner. Auch in Puebla, Cuzco, Quito und Bogotà wuchsen Bevölkerung und Reich- tum. Die Musikkultur konnte hier auf fruchtbarem Boden bestens gedeihen. In den letzten Jahren haben viele Musikerin- nen und Musiker dieses spannende Reper- toire entdeckt und erfolgreich auf die Büh- nen gebracht. Auch L’Harmonie des Saison gelang es ganz vorzüglich, mit Kompositio- nen von Juan de Araujo, Juan Garcia de Zes- pedes u.a. zu begeistern. Besonders erwähnt sei „In hoc mondo“ von Domenico Zipoli, eine geistliche Kantate im italienischen Stil für Tenor, zwei Violinen und Basso conti- nuo, die von Rodrigo del Pozo mit wohl- klingendem Belcanto vorgetragen wurde. Auch die Sopranistinnen Hélène Brunet und Elaine Lachia – etwa in José de Orejón y Aparicio „A del día, a de la fiesta“ – sowie die Tenöre Philippe Gagné, Mark Bleeke und Joel González bewegten sich auf be- achtlichem Niveau. Die Instrumentalisten um Ensembleleiter Eric Milnes (Cembalo) standen den Sängerinnen und Sänger eben- bürtig zur Seite, begleiteten sie mit tempe- ramentvollem Spiel. Die beiden Gitarristen Daniel Zuluaga und David Jacques brillier- ten darüberhinaus mit je einem virtuosen Solo von Santiagio de Murcia. Von den südamerikanischen Klängen der kanadischen Formation beflügelt, strebte man gespannt dem Finale der diesjährigen Tage Alter Musik in St. Emmeram entgegen. Immerhin konnten die Veranstalter hierfür eines der renommiertesten Barockorchester Italiens gewinnen. La Risonanza war mit seinem Leiter Fabio Bonizzoni an die Do- nau gereist. ImGepäck hatten sie Werke von Dietrich Buxtehude und Johann Sebastian Bach. Von ersterem brachten sie die wun- derbare Passionsmusik „Membra Jesu Nos- tri“ zur Aufführung, von letzterem die frühe Kantate „Nach dir, Herr, verlanget mich“ BWV 150, die Bach wohlmöglich unter dem Einfluss seines Besuchs bei Buxtehude in Lübeck geschrieben hat. Dass beide Werke in solistischer Vokalbesetzung aufgeführt wurden, versteht sich inzwischen beinahe von selbst. Leider wurde La Risonanza den hohen Anforderungen, die insbesondere Buxtehude an Ensemblegesang und -spiel stellt, kaum gerecht. Den durchaus schönen Einzelstimmen von Aldona Bartnik und Francesca Cassinari (Sopran), Nausicaa Ni- sati (Alt), Raffaele Giordani (Tenor) und Salvo Vitali (Bass) gelang es nur selten, sich dem kontrapunktischen Gewebe unterzu- ordnen und zu einer homogenen Einheit zu verschmelzen. Gleiches gilt für die fünf Gamben, die die Tugenden des Consort- spiels nur oberflächlich pflegten. Auch die anschließende Bach-Kantate konnte diesen getrübten Eindruck nicht aufhellen. Zu sehr fremdelte das italienische Ensemble mit dem norddeutschen Repertoire. So verließ ich nach der Zugabe – einem Bach-Choral – das letzte Konzert leicht ernüchtert. Je- doch saß man später in geselliger Runde noch lange im Innenhof des „Regensburger Ratskellers“ beisammen und ließ die zu- rückliegenden Festivaltage Revue passieren. Man kennt sich halt. Und wird wiederkom- men – im nächsten Jahr! Online Musik Magazin 56 Hélène Brunet, Sopran (links) und Elaine Lachica, Sopran, L’Harmonie des Saisons in der St.-Oswald-Kirche

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