Tage Alter Musik – Almanach 2019

62 Treffpunkt Klassik // 12. Juli 2019 // Von Thomas Thomson Senne Goldene Ornamente an den Decken, prachtvolle Fresken an den Wänden und Heiligenfiguren en masse - ein idealer Rah- men für den Auftritt der 12-köpfigen Gruppe „Höör Barock“. Sie stammt aus dem südschwedischen Dorf Höör – was so- viel wie „Hören“ bedeutet – und hat den Namen ihres Heimatortes zu einem musi- kalischen Markenzeichen gemacht. In der Alten Kapelle bewiesen die Künstler wäh- rend der Tage Alter Musik Regensburg, dass sich Hinhören bei ihnen in jedem Fall lohnt. Mit Leidenschaft, technischer Präzi- sion und Eleganz begeisterten sie ihr Publi- kum durch barocke Orchestermusik mit Werken von Johann Sebastian Bach, Georg Philipp Telemann und vor allem von Johan Helmich Roman. Der war im 18. Jahrhun- dert Kapellmeister am schwedischen Hof gewesen. Für den russischen Gesandten hatte er seinerzeit in Stockholm die soge- nannte „Golovin-Musik“ mit insgesamt 45 Sätzen komponiert. Zwei Suiten daraus präsentierte Höör Barock in Regensburg: Spielfreude pur. Kein Zweifel: Auch bei der 35. Ausgabe die- ses Festivals haben die Organisatoren wieder ein sicheres Gespür für Qualität bewiesen und mit weitgehend ausverkauften Konzer- ten den Ruf Regensburgs als weltweites Mekka der Alten Musik gefestigt. Von An- fang an in leitender Funktion mit dabei: Ludwig Hartmann. ” O-Ton (L. Hartmann): „Unser Ziel ist eigentlich, wirklich die Alte Musik vom Mittelalter bis zur - ja - Frühromantik auf histo- rischen Instrumenten hier in Re- gensburg zu präsentieren in ent- sprechenden Räumen. Und natür- lich auch - was die Gruppen und Ensembles betrifft: Dass man da immer wieder interessante En- sembles entdeckt, die hier vorstellt und auch die entsprechenden Pro- gramme. Also, wir versuchen, möglichst wenig Mainstream zu machen. Das ist natürlich manch- mal auch dabei, ganz klar. Aber wir wollen schon immer was ent- decken hier und das dann präsen- tieren.“ Die Tage Alter Musik sind auch ein Forum für internationale Interpreten der histori- schen Aufführungspraxis, die ihr Repertoire erstmals in Deutschland oder gar Europa präsentieren. Viele in Archiven oder Biblio- theken wiederentdeckte musikalische Schätze finden so erneut denWeg in die Öf- fentlichkeit. Manchmal schwierig für die Veranstalter: Aus der Fülle der hochkaräti- gen Angebote eine Auswahl zu treffen. Die Regensburger Domspatzen, die in der Basilika St. Emmeram zusammen mit der Hofkapelle München auftraten, sangen in diesem Jahr die Missa solemnis in C-Dur von Leopold Mozart: eine Hommage an den Komponisten, dessen Geburtstag sich im November zum 300. Male jährt. Dass der be- rühmte Knabenchor regelmäßig bei den Ta- gen Alter Musik auftaucht, ist allerdings kein Zufall. Denn drei der heute noch aktiven Gründungsmitglieder des Festivals sind ehe- malige Domspatzen. Eine Selbstverständ- lichkeit also, dass sie dem seit 25 Jahren als Domkapellmeister tätigen Chorleiter, Ro- land Büchner, ein Abschiedskonzert ermög- lichten - denn der geht im September in den Ruhestand. ” O-Ton (R. Büchner): „Natürlich kommt da Wehmut auf. Ich habe ja seit wirklich langer Zeit mit den Tagen Alter Musik auch viel guten Kontakt gehabt und wir ha- ben wunderbare Projekte mitein- ander hier veranstaltet, meistens das Eröffnungskonzert. Da hat man schon ein bisschen Wehmut. Aber auf der anderen Seite, ich muss sagen, überwiegt die Dank- barkeit einfach.“ Auch in diesem Jahr war die Spannweite bei den Tagen Alter Musik wieder beachtlich. Sie reichte von der „Zefiro Oboe Band“, die im Innenhof eines historischen Palais in praller Sonne Musik zur Zeit des Sonnen- königs zum Besten gab, über musikalische Traditionen Portugals des 15. und 17. Jahr- hunderts bis hin zu einem überwältigenden Nachtkonzert der britischen „Ora Singers“ imDommit A-capella-Miserere-Vertonun- gen zum Psalm 51. Besonders eindrucksvoll aber: die Präsentation des Pardessus de Viole. Er galt in französischen Salons des 18. Jahrhunderts als „Violine der Frau“ und ist das kleinste Instrument der Gambenfa- milie. ” O-Ton (M. Corriveau): „Some pe- ople ... playing the violins.“ Einige Frauen spielten den Pardessus de Viole erstaunlich nuanciert, waren in Geist- lichen Konzerten bekannt für ihre unge- wöhnliche Virtuosität und wetteiferten mit Geigenspielern um die Aufmerksamkeit des Publikums, erzählt die kanadische Pardessus de Viole-Virtuosin Mélisande Corriveau. In der französischen Nationalbibliothek hat sie etliche Stücke für ihr Instrument entdeckt, die sie nun äußerst einfühlsam und zart zu- sammen mit dem New Yorker Cembalisten Eric Milnes interpretierte: musikalische Ra- ritäten voller Poesie aus dem Frankreich des 18. Jahrhunderts, hinreißend schön und von einer unglaublichen Tiefe und Intensität - ein Duo, das zu den Highlights und Entde- ckungen der 35. Tage Alter Musik Regens- burg gehörte. Tage Alter Musik Regensburg 2019

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