Tage Alter Musik – Almanach 2022

Tage Alter Musik Regensburg 2022 11 alle waren sich einig: die Stimmung ist einfach nicht dieselbe wie im Frühjahr, wenn die Straßencafés voll sind, der Duft von Bratwürsten in der Luft liegt und von der Steinernen Brücke Straßenmusik herüberweht. Jetzt also spielen sie endlich wieder an Pfingsten, die Zinken, Gamben und Barockviolinen. Eine, die eigentlich schon 2020 hätte dabei sein sollen, ist Leila Schayegh. Heute früh um elf Uhr konnte die vielfach preisgekrönte Schweizer Geigerin ihr Konzert endlich nachholen, und ich habe sie vorher gefragt, was ihr der Auftritt im Regensburger Reichssaal bedeutet. LeiLa Schayegh: „Oh, ich habe sehr gefiebert. Regensburg ist ja ein riesiges Festival. Und wirklich, ich denke, eines der wichtigsten für Alte Musik überhaupt. Es hat lange gedauert, bis diese Einladung gekommen ist. Und ich habe mich extrem gefreut, hier spielen zu dürfen und dann gerade noch mit so einem Programm, das einen wirklich in allen Facetten zeigt, wirklich ganz, ganz, ganz alleine, also ich stehe ja wirklich allein auf der Bühne, ohne jegliche andere Person. Und ich war auch sehr gespannt auf Regensburg. Ich war vorher noch nie da und freue mich jetzt drauf, noch ein bisschen durch die Stadt zu bummeln.“ Sie haben schon gesagt, sie stehen ganz allein auf der Bühne im Reichssaal. Wie fühlt sich das an, wenn man so ein Soloprogramm spielt? LeiLa Schayegh: „Nackt! Ja, es ist so. Also man steht auf der Bühne, und man kann sich nicht verstecken. Man kann sich ja auch nicht in der Kommunikation mit jemand anderem verstecken, nicht mit einem Cembalisten, Cellisten oder wer dann auch immer da ist. Und man ist wirklich nur da mit seiner Musik und mit seiner eigenen Seele und in der Zwiesprache mit seiner Seele und seiner Persönlichkeit und der Musik. Und natürlich dem Publikum, das sich wirklich nur auf eine einzige Person konzentriert. Und das ist schon für mich immer noch die größte Aufgabe.“ Warum tun Sie sich das an? LeiLa Schayegh: „Auch weil ich die Musik liebe und weil ich mich trotz aller Aufregung, die manchmal noch dabei ist, gern so zeige. Und weil es einfach eine Tiefe gibt, die, glaube ich, mit nichts sonst zu vergleichen ist. Und das ist meine Aufgabe überhaupt, als Musikerin einfach was rüberzubringen, das im Herzen und den Gedanken und den Emotionen der Zuhörer widerklingt und das sie mittragen und irgendwie auch auf einer nonverbalen Ebene wieder in ihren Alltag mitnehmen können.“ Jetzt haben Sie ein Programm gemacht, in dem natürlich Bach vorkommt, eine BachPartita, aber vorher auch Komponisten, die sozusagen denWeg zu Bach dokumentieren: Biber, Westhoff, Pisendel. Wie sind Sie auf dieses Programm gekommen? LeiLa Schayegh: „Mich hat das schon immer interessiert, wie so ein Fels entstehen kann wie die Sonaten und Partiten von Bach, und ich wollte eben auch dem Publikum zeigen, dass das nicht einfach irgendwie so wie ein Findling dasteht, sondern tatsächlich eingebettet ist in sehr vieles, was Bach wahrscheinlich auch selber gekannt hat. Und eben für mich war das zu einem gewissen Zeitpunkt vor Jahren neu, und ich denke auch dem großen Teil des Publikums ist es immer noch neu. Also wirklich groß bekannt sind diese Suiten von Westhoff nicht. Ich versteh das auch, denn sie sind doch etwas sperrig, aber wirklich kleine Kleinode, auf die man sich einfach einlassen kann und soll und aus denen heraus man auch versteht, wie dann eben eine Bach-Partita entstehen kann.“ Am Ende des Konzerts steht die d-Moll-Partita: die spielt für sie biografisch auch eine große Rolle, oder? LeiLa Schayegh: „Ja, das ist eine der wenigen, die ich schon auf der modernen Geige auch gespielt habe. Ich habe sie praktisch in allen Abschlussprüfungen schon gespielt, und die spiele ich einfach wahnsinnig gern, und sie hat sich mit mir zusammen entwickelt. Und ich kann irgendwann an dem Stück verfolgen, was ich selber für einen Weg zurückgelegt habe. Und auch weil das ein Stück ist, das einfach in den Fingern liegt und das ich wirklich imHalbschlaf spielen kann, habe ich das auch in sehr, sehr vielen sehr berührenden Situationen schon gespielt, wie zum Beispiel am Totenbett meiner Großmutter. Und das Stück bedeutet mir einfach sehr viel. Aber für mich ist es eigentlich nicht ein Totendenkmal, sondern eher das Gegenteil: das Zeichen des Lebens. Und auf jeden Fall: Die Musik ist mir sehr nah, und ich spiele sie einfach sehr gern.“ J. S. Bach: Giga (aus der d-Moll Partita BWV 1004) Die Gigue aus Bachs d-moll-Partita. Leyla Schayegh spielt sie vielleicht jetzt gerade noch, ein paar Schritte von unserem Studio, im Regensburger Reichssaal. Neues von den Tagen Alter Musik heute im Tafel-Confect auf BR-KLASSIK, und wirklich nagelneu ist die große Orgel in der Dreieinigkeitskirche, dem Hauptspielort des Festivals. Der Clou: die Orgel ist ganz auf die Musik von Bach abgestimmt. Was sie sonst noch kann, wie sie klingt, wie sie sich spielt – der Organist Hugh Rowlands hat es ausprobiert am Samstagabend beim Konzert mit dem Vokalensemble Alamire und dem Bläserensemble His Majestys Sagbutts & Cornetts. Die neue Bach-Orgel in der Dreieinigkeitskirche (Autorin: Gudrun Petruschka) hugh RowLandS: „Die Orgel funktioniert sehr schön, es fühlt sich gut an. Das ist ein lustiges Instrument in dem Sinn, dass es offensichtlich mit viel Wissen um historische Orgeln gebaut ist; es fühlt sich auch historisch an, funktioniert aber wie eine gut geölte MaLeila Schayegh bei ihrem Solorecital im Reichssaal

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