Tage Alter Musik – Almanach 2022

34 7. Juni 2022 // Autor: Uwe Mitsching Wofür man sich im schon lange laufenden Vorverkauf schließlich entschieden hat, für welchen der traditionellen Pfingsttage, den mächtigen Dom oder die goldprunkende Emmeramskirche: Die Regensburger „Tage Alter Musik“ sind wie der Phönix aus der Corona-Asche wiedererstanden und waren ein Entdecker-Eldorado. Hauptsache, man hat überhaupt Karten bekommen und konnte mit dabei sein bei den Begeisterungsstürmen und mit dem Wunsch, diese perfekten Ensembles auch im Neumarkter Reitstadel erleben zu dürfen: „le phénix“ und „Jupiter“ in vollendeter historischer Aufführungspraxis, mit souveränen Bandleadern und solchen Solo-Sensationen wie Lea Desandre. Sie war in den letzten Jahren schon Star der Festspiele von Aix-en-Provence oder als Despina in der bejubelten Salzburger Aufführung von „Cosi fan tutte“ unter Joana Mallwitz. „Viva Vivaldi!“ hieß ihr Programm unter der Leitung des Lautenisten Thomas Dunford, mit einer fabelhaften Primgeigerin und einem Cellisten wie Bruno Philippe: ein voluminöser, schmeichelnder, samtweicher Ton auf allen Stufen lyrischer Innigkeit. Sie alle überzeugen als Pariser Truppe „Jupiter“ mit wunderbar gezogenen Legato-Tönen in samtweicher Intonation und als perfekte Begleitung für Lea Desandre in diversen Vivaldi-Arien: gottlob mal keine „Jahreszeiten“. Die Sopranistin, die man auch mit fantastischer Komik, darstellerischer wie vokaler Beweglichkeit erlebt hat, sie brilliert in Regensburg mit allem, was Barockgesang nur eben ausmacht. Mit den „Seufzern voller Qual“, mit Schaudern, Pein und Schmerz, mit enormem Stimmumfang für das Gurren der liebestollen Tauben oder für das „Erstarren kalten Bluts“ („Farnace“). Schon nach der ersten Viertelstunde brachen die Bravostürme los, immer wieder war das Publikum hingerissen vom Feuerwerk der Eifersucht („Ottone in Villa“), von dieser behänden Beweglichkeit oder von der lyrischen Fülle für das atemberaubende Legato zusammen mit einem Lautensolo. Schwerblütig und tollpatschig Dabei hatte man tags zuvor schon gedacht, „le phénix“ würde nicht zu übertreffen sein. Gerade mit dieser Musik, die man zuvor kaum gehört hat: von Michel Corrette, von Johann Bernhard Bach, dessen vier Orchestersuiten sich sein weitschichtiger Cousin Johann Sebastian abgeschrieben hatte - nur deswegen sind sie dann erhalten geblieben: schwerblütig, auftrumpfend in den Tanzsätzen, manches tollpatschig, dann wieder al legno, auf jeden Fall aber à la mode für die kleinen, aber feinen mitteldeutschen Fürstenhöfe. Dieses „Barockorchester aus demKleinraum Zürich“ und mit Vital Julian Freys Virtuosität auf demCembalo (er ist zudem Leiter der Bachwoche Thun) hat allerdings mit der Corrette Musik noch wesentlich originellere Stücke im Repertoire und auf einer gerade eben erschienenen CD. Natürlich spielt man in Regensburg zwei seiner 25 „Concerts comiques“, zu denen damals zwei aus der NeuenWelt herüber geholte Indianer bei einer Art „Völkerschau“ tanzen mussten. Oder Arioses, das auch die königliche Mätresse Mme Pompadour gesungen hat. Da hört man denn heute noch die „edlen Wilden“ aus dem Süden Nordamerikas mit stampfenden, graziösen Tanzschritten. Und bewundert Correttes wunderbares „Chiaroscuro“ - mehr noch aber die „Seeschlacht“, die Frey auf demCembalo spielt. Mit Feuerwerk und fliegenden Raketen: ein gewaltiges barockes Rumms. Hingerissen vom Feuerwerk der Eifersucht TAGE ALTER MUSIK – Begeistertes Publikum feiert perfekte, hinreißende Ensembles bei ihren Auftritten in Regensburg Blue Heron in der Schottenkirche

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