Tage Alter Musik – Almanach 2023

klösterlichen Stundengebets. Und dann stand noch die kaum zu übertreffende Qualität des Vortrags an sich imRaum, die es fast verbietet, die phantastischen und beseelten Vokalsolisten gegen die berückend aufspielenden Instrumentalisten abzuwägen. Ein tief berührendes Konzert, dass nie hätte enden dürfen. Ein völlig anderes Nachtkonzert dann am Pfingstsonntag. Die Barokksolistene aus Norwegen sind mit ihren Playhouse Sessions nicht das erste Mal zu Gast in Regensburg. Eine völlig verrückte Truppe auf den ersten Blick, die die Ausgelassenheit und Spielfreude der englischen Tavernenmusik des 17. Jahrhunderts mit allerlei Instrumentarium feiert und die derbe Kneipenstimmung in ihrer Virtuosität, gesellschaftlichen Satire und melancholischen Färbung gelegentlich auf die Spitze treibt. Mit Zunge und Strohbesen Um den noch halbwegs seriös wirkenden Frontmann Bjarte Eike an der Violine entstand im Laufe der zwei Stunden ein völlig überdrehtes, leicht alkoholisiertes Feuerwerk an Gassenhauern, Schauspiel, Gesang, Komik und Tanz, das sich kaum beruhigen wollte und die Zuhörer im übervollen Festsaal des Leeren Beutels gänzlich mitriss. Wer von den acht Musiker der Genialere ist, war kaum auszumachen. Der Schlagwerker Helge Andreas Norbakken zog mit seiner extrovertierten und oft minimalistischen Percussion mit Strohbesen und Zungengeräuschen sicherlich nicht selten alle Blicke auf sich. Es könnte aber auch Steven Player als wunderbar alternder Clown sein, der perfekt Klamauk mit einer Prise Melancholie und wunderbaren Tanzeinlagen vereinte. Wahrscheinlich war es das alles und noch viel mehr, was das mittlerweile auch leicht angetrunkene Festivalpublikum zum Mitsingen und Mitklatschen bewog. Oder wie heißt es im Untertitel so schön: „It’s just old pop music.“ Tage Alter Musik Regensburg 2023 35 Der eine oder die andere dürfte bei den Tagen Alter Musik überrascht gewesen sein: Die erste Melodie, die beim Konzert von Oslo Circles in St. Emmeram erklang, kam einem bekannt vor. Das Rondeau aus Henry Purcells „Abdelazer“ hat Benjamin Britten als Thema seiner gelungenen Orchester-Erklärvariationen „The Young Person‘s Guide to the Orchestra“ verwendet. Das norwegische Septett rund um die aus Burghausen stammende Konzertmeisterin Astrid Kirschner erwies sich in der Folge als ausgezeichnetes Führungsteam durch die Inspirationswelt des „Orpheus Britannicus“. In den Instrumentalsätzen aus Bühnenwerken Purcells wogen das rhythmisch flexible Zusammenspiel und die Schlagwerkfarben das Fehlen von Blasinstrumenten auf. Kirschner streute an der Solovioline immer wieder spontan wirkende Verzierungen ein und führte ihre Gruppe in entsprechenden Sätzen auch mal handfest auf den Tanzboden. Herzzerreißendes Lamento In andere Sphären brachte Countertenor David Hansen das zunehmend hingerissene Publikum mit seinen Arieneinlagen. Nachdem er zunächst Probleme hatte, in der Tiefe die für die Basilika nötige Klangfülle zu entwickeln, sang er sich immer mehr frei und betörte mit beinahe ekstatisch hingetupften Spitzentönen. Aus dem berühmten Frostlied aus „King Arthur“ machten er und Oslo CirBeinahe ekstatisch hingetupfte Spitzentöne in St. Emmeram Intensives Spiel eines Ensembles aus Norwegen – Ein herausragendes Solo in der Ulrichskirche Autor: Juan Martin Koch // 30. Mai 2023 Das Barockensemble Oslo Circles ließ in der Basilika St. Emmeram Theatermusik von Henry Purcell hören Foto: Michael Vogl

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