Tage Alter Musik – Almanach 2023

cles keine Zirkusnummer, sondern eine fein ausgehörte Naturcharakterstudie. Das Lamento der von Aeneas verlassenen Dido („When I am Laid“) geriet herzzerreißend. Momente solcher Intensität hatte man am späten Abend zuvor in der Schottenkirche ein wenig vermisst. Keine Frage, Contrapunctus ist ein hervorragendes britisches Vokalensemble. In Sachen Homogenität, Intonation und Geschmeidigkeit der Linienführung bleiben kaum Wünsche offen. Der im hellen Bereich des Farbspektrums angesiedelte Klang bleibt allerdings über weite Strecken monochrom, das Bassfundament ist wenig präsent und Leiter Owen Rees tendiert dazu, über harmonische Spannungen hinwegsingen zu lassen. Das eine oder andere Stück in kleinerer Besetzung hätte dem auf höchstem gesanglichen Niveau präsentierten, aber auch etwas einförmigen Programm spanischer A-cappella-Renaissance (Morales, Victoria, Guerrero u.a.) wohl gut getan. St. Ulrich: Zwischen Hallenakustik und Intimität Klug kontrastierend und sich immer weiter steigernd hatten dagegen drei belgische Ensembles ihr Konzert mit Musik des italienischen Frühbarock in der Dreieinigkeitskirche aufgebaut: Die samtig verschmelzenden Gamben des Hathor Consorts, die individuell sehr charakteristischen, im Verbund wunderbar zusammenfindenden Stimmen des Pluto-Ensembles und der mächtige Klang der Zinken, Trompeten und Posaunen von Oltremontano wechselten einander ab, kamen in immer neuen Kombinationen zusammen und vereinten sich schließlich zu umwerfender Pracht. Eine Entdeckung war das Requiem des im italienischen Stil komponierenden Wiener Hofmusikers Christoph Strauß: eine wunderbar vielgestaltige Musik voller feinsinniger Klangregisterwechsel. Gekrönt wurde der herausragende Auftritt vom „Laudate Dominum“ und demMagnificat aus Monteverdis „Selva morale“. Die Dreieinigkeitskirche bebte. Als neue Spielstätte bewährte sich die Ulrichskirche mit einer reizvollen Mischung aus Hallenakustik und Intimität. Begleitet von Pierre Gallon am Cembalo entfaltete Lucile Boulanger die komplette Ausdruckspalette der Viola da Gamba in einem französisch-italienischen Programm aus Originalwerken und Bearbeitungen. Ihre beiläufig servierte Virtuosität und ihr subtiles Spiel mit Audrucksnuancen war eine der herausragenden Solodarbietungen in der Geschichte des Festivals. Mittelbayerische Zeitung 36 Mit diesen drei beziehungsweise fünf Konzerten konnte man bei den Tagen Alter Musik eine imaginäre musikalische Reise quer durch Deutschland machen. Los ging es mit Music in a Cold Climate, Instrumentalmusik des 16. und 17. Jahrhunderts im Umkreis der Europäischen Hanse. Über diese große Handelsgemeinschaft verbreiteten sich um Nord- und Ostsee herum nicht nur Waren aller Art, sondern auch Ideen und Musik. Die damaligen Musiker reisten, lernten und komponierten mit Vorstellungs- und Empfehlungsschreiben im Gepäck. Erfrischend kühle Klang-Brise Es entstand eine äußerst komplexe Musik, die die Musiker von „In Echo“ auf sehr charmante Weise zum Klingen brachten. Zu sechst im Ensemble mit Zink, Violinen und Violen, Blockflöte, Posaune und Tasteninstrumenten unter der Leitung des Zinkenisten Gawain Glenton spielte man Fantasien, Variationen, Tanzsätze und Sonaten von Dietrich Buxtehude und Thomas Baltzar aus Lübeck, von Dietrich Becker aus Hamburg und vielen anderen. Im Zentrum des Konzerts stand eine sehr reich gestaltete und volltönende Sonata à 4 von Antonio Bertali, der auch Musik für den Regensburger Reichstag schrieb. Das Ensemble verzichtet auf eine Armada von Continuo-Instrumenten und richtet den Fokus auf den abwechslungsreichen Klang der verschiedensten Melodie-Instrumente: eine erfrischend kühle Brise. Mit dem Ensemble „Alia Mens“ aus Frankreich unter der konzentrierten Leitung von Olivier Spilmont ging es nach Mitteldeutschland, zu Bach, zu drei Kantaten, die Eine musikalische Deutschlandreise von Nord nach Süd Klänge aus dem Umkreis der Europäischen Hanse, aus Mitteldeutschland und die Rosenkranzsonaten Heinrich Ignaz Franz Bibers Autorin: Claudia Böckel // 30. Mai 2023 Hannah Ely, Sopran Paul-Antoine Bénos-Dijan, Altus Thomas Hobbs, Tenor Romain Bockler, Bass

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