Tage Alter Musik – Almanach 2023

70 Regensburg: Neuheiten Alter Musik begeisternd dargeboten // Autor: Reinhard Mawick Das kann doch nicht wahr sein: 0:2 zur Pause in Dortmund! Als David Hansen, der vortreffliche Altus, zusammen mit dem Ensemble Oslos Circles, die bekannte „Frostarie“ (Cold Genius) aus Henry Purcells „King Arthur“ amNachmittag des Pfingstsamstags anstimmte, blickte ich dummerweise auf mein Smartphone, und mich befiel die Ahnung, dass es nichts werden könnte mit dem Aufbruch aus lähmend-langweiliger Eintönigkeit im deutschen Fußball, zumal der FC Bayern in Köln laut kicker.de beim dortigen FC 1:0 in Front lag. Da meldete sich die innere Stimme: „Ach, lass fahren dahin … es gehe, wie es gehe, konzentrier dich gefälligst auf dieses schöne Konzert in der Basilika St. Emmeram!“ Und so lenkten sich Augen, Ohren und Gemüt wieder auf die kluge Werkabfolge musikalischer Kostbarkeiten des leider so früh verstorbenen englischen Jahrhundertkomponisten Henry Purcell (1659-1695), die der australisch-norwegische Sänger David Hansen in artistisch-inniger Geschmeidigkeit zelebrierte. Hansen hat ein weiches Timbre, ausgeglichen in allen Lagen und von strahlendem Glanz, das sich im Laufe des Konzertes mehr und mehr entfaltete. Sehr akkurat wurde er begleitet vom norwegischen Ensemble Oslo Circles – wunderbar, wunderbar. Frevelhafter Smartphoneblick Frevelhafterweise fiel mein Blick doch noch einmal aufs Smartphone, just in dem Moment, als Hansen die erlöste Hymne „Fairest Isle“ aus King Arthur anstimmte. Und siehe da: Köln hatte ausgeglichen – jaaa! Jetzt wäre Dortmund Meister, und es waren nur noch ganz wenige Minuten! Wie herrlich, dachte ich und der überwiegende Teil Fußballdeutschlands mit mir, als der Schlussapplaus herabrauschte und David Hansen seine erste Zugabe sang. Der Applaus wollte nicht enden, möglicherweise mischte sich die Freude der von der öden Dauerdominanz des FC Bayern genervten Menschen in die fraglos angebrachte Anerkennung ob der wundervollen Leistung der Musizierenden. So stimmten Hansen und die Seinen noch einmal einen der schönsten elegischen Songs an, die Purcell uns hinterlassen hat, nämlich das Lamento der Dido aus „Dido und Aeneas“ – ach, wie edel … aber was erlauben Musiala! Zufällig erwischte mich der KickerNewsticker meines Phones am unteren Augenlid und meldete 2:1 für Bayern in der 89. Minute, Torschütze Jamal Musiala – o weh, o weh, der Rest der Sache ist bekannt, und so geriet Dido’s Lament in St. Emmeram 2023 zum gelb-schwarzen Grabgesang. Als sich das Dortmund-Bayern-Drama ereignete und sich aufgrund der digitalen Ubiquität unserer Tage als Subtext des St. Emmeramer Purcell-Konzertes eingrub, hatten die diesjährigen Tage Alter Musik – kurz TAM – längst begonnen: „Pfingsten, das liebliche Fest war gekommen!“ Ja, für dieses Musikfest an der Donau gilt wahrlich dieser Aufruf, den kein geringerer als Johann Wolfgang von Goethe prägte. Wenn auch nicht anlässlich der Regensburger Tage Alter Musik, denn die gibt es erst seit 1984, sonTolle Tage Früher waren sie ein Geheimtipp, heute sind sie das führende Alte-Musik-Fest Deutschlands: Zum 38. Male fanden die Tage Alter Musik Regensburg über Pfingsten statt. zeitzeichen-Chefredakteur Reinhard Mawick war dabei (und rundherum drehte die Welt sich weiter, zum Beispiel die des Fußballs …). Bläser im Konzert „L.E.D: - Luceat eis, Domine“ am 27.5.2023 in der Dreieinigkeitskirche Regensburg

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