Tage Alter Musik – Jubiläumsschrift 2009

L‘Arpeggiata), osteuropäische Volkstänze (Collegium Marianum), französische Fantasien, keltische, spanische und südamerikanische Vokal- und Instrumentalmusik (Harp Consort), Folia-Tänze (Belladonna); auch um den Bereich des Barocktanzes (New York Baroque Dance Company, Cracovia Danza & Collegium Marianum) hat man sich erst seit kurzem bemüht; es sind oft ganze Überlieferungs- stränge aus Regionen, die bislang unbeachtet geblieben waren: chinesische Musik der Barockzeit (Musique de Lumières), Barockmusik in Prag (Collegium Marianum, Collegium 1704), spanische Kantaten aus lateinamerikanischen Archiven (Al Ayre Español), russische Kammermusik (Musica Antiqua Russica), katalanische und mittelamerikanische Kammermusik (La Fontegara Mexico), neapo- litanische Komponisten des 17. Jahrhunderts (Cappella della Pietà de’ Turchini). Die historische Aufführungspraxis hat sich auch um die intensivere Aufarbeitung bekannter, aber ver- nachlässigter Werktraditionen bemüht. Bestimmte Komponisten sind wieder angemessen ins Licht der Öffentlichkeit gerückt worden: z.B. Johann Friedrich Fasch (Musica Antiqua Köln, Il Fondamento, Collegium 1704, Main-Barockorchester), Jan Dismas Zelenka (Il Fondamento, Tafelmusik, Collegium 1704, Musica Florea) oder – aus der Zeit der Klassik – Joseph Schuster (La Ciaccona: „Amor & Psyche“). Renommierte Komponisten haben ihre adäquate Zuwendung erfahren. Man denke nur an die Monteverdi-Renaissance der letzten Jahrzehnte, die sich auch in der Festivalgeschichte niedergeschla- gen hat: Monteverdi stand insgesamt 16mal auf dem Programm, darunter auch Hauptwerke wie seine Opern (La Venexiana), die Marienvesper (Capella Ducale Venezia) oder seine Madrigale (Artek, La Venexiana). Man kann wohl auch von einer Telemann-Renaissance sprechen; an die 30 Werke des Komponisten, der immer im Schatten Bachs und Händels zu stehen schien, sind an den Tagen Alter Musik aufgeführt worden. Auch die französische Barockmusik ist durch die historische Aufführungspraxis (Les Boréades, Il Fondamento, Malgoire) zweifellos wiederbelebt worden. Doch auch beim barocken Standardrepertoire sind durch die Bemühungen der historischen Aufführungspraxis immer wieder Neuentdeckungen möglich geworden: etwa Vivaldis ‚Vier Jahreszeiten‘ in der Dresdner Bläserfassung (Barocchisti) oder Corelli in einer Bläserfassung (Modo Antiquo) aufzuführen, teilweise verloren gegangene Werke Vivaldis zu rekonstruieren (Modo Antiquo) oder Werke durch eigene Transkriptionen wieder herzustellen (Nigel North), verdient in diesem Zusam- menhang Beachtung. Ein weiteres Verdienst der historischen Aufführungspraxis ist darin zu sehen, dass sie in der Programmgestaltung nicht beliebig verfährt, sondern auf bestimmte Aspekte abhebt, die sie entspre- chend musikwissenschaftlich fundiert: es kann sich um ein thematisches Motto handeln, z.B. ‚Nacht‘ (Capella Incognita), ‚Amore-Verzweiflung‘ (Capriccio Basel) ‚Tiere‘ (I Furiosi) oder ‚Königin Christinas Reise von Stockholm nach Rom‘ (Stockholm Baroque), ‚Wassermusiken‘ (Zefiro); oder es kann auf musikalische Gattungen/Formen abgestellt werden, z.B. ‚Suiten des englischen Barock‘ (Les Muffatti), ‚Suiten von Rameau und Telemann‘ (B’Rock) oder ‚Geschichte der Violinsonate‘ (Music of the Spheres); oder es kann sich um musikgeschichtliche Projekte handeln, wie Vivaldi-Transkriptionen Bachs (Kitaya), Gambenconsortmusik des 17. Jahrhunderts (Les Filles de Sainte-Colombe), Musik am Kaiserhof Wien (La Fenice) oder am Hof von St. Petersburg (Musica Petropolitana). Alles bisher Gesagte betrifft die musikwissenschaftlich-musikhistoriographische Bedeutung der histori- schen Aufführungspraxis. Eine ganz andere und wohl noch wichtigere Frage ist die nach der Interpretation von Barockmusik. Wie hat sie sich durch die historisch informierte Aufführungspraxis 118

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