Tage Alter Musik – Jubiläumsschrift 2009

T age alter Musik Regensburg – für uns aus der Schweiz seit einem Vierteljahrhundert Höhepunkt des Jahres, ein Gesamtkunstwerk. Unsere Befindlichkeit durchs Jahr lässt sich simpel umschreiben: bis Pfingsten freut man sich auf TAM, nach Pfingsten zehrt man vom Erlebnis. „Gesamtkunstwerk“ besagt auch, es ist nicht der Musikgenuss allein, der die Regensburger Pfingsten Jahr für Jahr zum Ereignis macht, es ist immer alles – das ganze Dran, Drum und Drin der traumhaft schönen Stadt mit ihren groß- artigen Bauwerken und ihrem rundum liebenswürdigen, hilfsbereiten und originellen Menschenschlag. An uns Konzertbesucher sind die Anforderungen gestiegen. Waren es zu Beginn unserer Festspiel- Karriere vor 25 Jahren 6 Konzerttermine, so hat sich der Veranstaltungskalender derzeit auf 14 einge- pendelt. Ursprünglich gab es die Qual der Wahl, inzwischen geht es uns ums Ganze: die schmerzliche Erfahrung, ein Konzert und mit ihm etwas Einmaliges verpasst zu haben, erwies sich als schwer erträg- lich – jetzt wird das gesamte Angebot ausgeschöpft, zumal sich bei uns in organisatorischer Hinsicht eine gewisse Routiniertheit entwickelt hat. 1986 beispielsweise fanden die Konzerte in der Minoritenkirche noch „verkehrt herum“ im hintern Teil des Schiffes statt - und es war saukalt. In weiser Vorahnung fanden wir uns in Ermangelung einschlägi- ger Erfahrung mit dem Pijama als wärmende Unterwäsche ein. Andern ging es wohl ähnlich. Während Ton Koopman gewohnt gestenreich La Grande Ecurie et la Chambre du Roy und sich selbst in Bewegung und damit warm hielt, verschafften sich einige Buben der Regensburger Domspatzen in den hinteren Chorreihen Wärme durch „Beinarbeit“ wie man sie vom Fussball her kennt – vorn herum trüb- te angesichts Bach’scher Kantatenmusik und kindlicher Unschuldsminen nichts die geistliche Atmosphäre. Organisatorische Finessen sind an den „Tagen“ rundum gefordert. Fixum sind die Konzerttermine. Während die Organisatoren für den musikalischen Kunstgenuss in bewundernswerter Weise Kostbarkeit an Kostbarkeit reihen, bleibt das leibliche Wohl – Input wie Output - dem Konzertbesucher überlassen. Für einen Ausländer ist das in der Oberpfalz bereits sprachlich eine Herausforderung. Zum Exempel die „Krautschnecke“. In der naiven Vorstellung, ein Gericht mit Schwerpunkt Kraut zu erhalten, erwies sich das Objekt auf dem Teller als Schweinebauch, liebevoll garniert mit etwas Kraut. Köstlich - aber auch „belastend“! Hier hatte der einfühlsame Johanniterwirt ein Einsehen. Unter der Theke zauberte er eine hochwirksame Medizin namens Bärwurz zu Tage. Dank diesem Elixier mit Maggikraut-Geschmacksnote war für uns hinfort jede bayerische Spezialität genieß- und verdaubar. Beim Konzert des Concerto Copenhagen unter Leitung von Lars Ulrik Mortensen 1998 im Neuhaussaal fanden wir dann doch noch die Bestätigung, dass auch bayerische Organismen den unsrigen zumindest ähnlich sind. Vor dem Konzert genossen wir an diesem vorsommerlich warmen Tag beim Kneitinger nebenan ein Schmankerl samt Bock. Am Tisch gegenüber eine Dame, die sich genüsslich an einem kolossalen Haxen samt Knödel und Mass erfreute – für unsere Begriffe eine bewundernswerte Parforce- Leistung. Im Konzertsaal wollte es der Zufall, dass die Dame – sozusagen vor uns – in der ersten Reihe der Galerie über der Bühne saß. Und siehe da: die mit Furore vorgetragene musikalische Einleitung war noch nicht verklungen, da senkte sich ihr Kopf, ihre Hände suchten Halt an der Balustrade und ihr Haupt legte sich auf die dort verschränkten Arme. Selbst der frenetischste Applaus konnte sie in der Folge nicht aus ihrer Ruhe bringen… Zu Zeiten vor dem „gemütlichen Absacker“ im Vitus stand man nach einem Nachtkonzert – in der Regel in der stark unterkühlten Dominikanerkirche – nicht nur mit trockener Zunge und unsäglichem Durst vor geschlossenen Wirtschaften, sondern auch vor verschlossener Hotelpforte. Als echter Bayer erkann- te der öffnende Nachtportier im Bischofshof das Elend seiner Gäste und zapfte das beste Bier aller 50

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