Tage Alter Musik – Jubiläumsschrift 2009

E s war einer der unvergesslichen Tage von vielen, die ich während der 25-jährigen Geschichte der Tage Alter Musik Regensburg erleben durfte. Am Pfingstsamstag des Jahres 2005 stand mein 50. Geburtstag an und als hätten es die Macher des Festivals gewusst, präsentierten sie an diesem für mich besonderen Tag ein Konzert, wie sie es nicht besser hätten treffen können. Aus Kanada waren die Les Boréades de Montreal angereist und begeisterten bereits am Freitag im Nachtkonzert mit exquisit dar- gebotener französischer Barockmusik. Am nächsten Vormittag, meinem Geburtstag, boten sie in der Matinee im Leeren Beutel dann ein Konzert, das mich emotional stark ergriff. Die Musiker aus Montreal spielten unter ihrem Leiter Eric Milnes eigene Bearbeitungen von Beatles-Songs auf Barockinstrumen- ten, selbstredend auf höchstem künstlerischem Niveau. Es war ein Ohrenschmaus, der mich in Gedan- ken zurückführte in meine Jugendzeit, als die Musik der Fab Four aus Liverpool eine ganze Generation beeinflusste. In der Pause wollte ich mit meinen Gefühlen alleine sein und begab mich durch den Hinterausgang in eine Seitengasse. Plötzlich stand Eric Milnes in meiner Nähe. Ich ging auf ihn zu, bedankte mich für das wunderbare Konzert und erzählte ihm, welch große Freude sein Ensemble mir mit dem heutigen Programm anlässlich meines Geburtstags bereite. Wir beide kamen ins Gespräch und er tat mir kund, wie stark die Musik der Beatles auch ihn beeinflusst habe, wie er die 60er und 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts als Zeit des Aufbruchs in Kanada erlebte und dass er zum selben Jahrgang wie ich gehöre. Es war mir, als würde ich ein Gespräch mit einem guten Freund führen. Wir verabschiede- ten uns herzlich und ich genoss in vollen Zügen den zweiten Teil des wundervollen Konzerts. Verzichtete ich am Tag des Geburtstags auch auf weitere Konzerte, um ihn mit der Familie zu verbrin- gen, so ließ ich die beiden folgenden Tage kein einziges Konzert aus. Die Tage Alter Musik sind in mei- nem Leben ein wichtiger Fixpunkt geworden und ich freue mich bereits Monate vorher auf die Pfingstzeit. Dabei bin ich nicht immer ein Kenner der Alte-Musik-Bewegung gewesen. Zwar erhielt ich eine fundierte klassische Musikausbildung, doch kam ich dabei nicht mit Alter Musik in Kontakt. Erst 1985 besuchte ich erstmals eine Veranstaltung, in der auf Originalinstrumenten musiziert wurde. Dass ich in meinem ersten Alte-Musik-Konzert mit Trevor Pinnock und seinem English Concert gleich Großmeister der Bewegung hören konnte, war mir damals nicht bewusst. Es folgten Konzerte von Roger Norrington, Ton Koopman und anderen hervorragenden Musikern. Bezogen auf die Barockmusik war mir bald klar, dass ich bis dahin Un-Erhörtes und Un-Gehörtes erlebte. Bei klassischer und roman- tischer Musik tat ich mich anfangs schwerer, doch kann ich mich noch gut erinnern, wie ich konventio- nelle und Alte Musik Aufnahmen immer und immer wieder miteinander verglich, indem ich Plattenspieler und CD-Player parallel laufen ließ und fortwährend hin und her wechselte. So mutierte ich nach einiger Zeit zu einem überzeugten Alte-Musik-Fan. Ab dem Jahr 1990 ließ ich mir dann auch kaum mehr ein Konzert der Tage Alter Musik entgehen. Was nur auf diesem Festival möglich ist, 1997 und 1999 kam ich mit den beiden grandiosen Fortepianospezialisten Tuija Hakkila und Seth Carlin ins Gespräch - mit Frau Hakkila nach demAbendkonzert im damaligen Festivallokal, mit Seth Carlin in der Instrumentenausstellung im Salzstadel. Wir unterhielten uns über historische Fortepianos und er spielte mir auf einem der Instrumente einige romantische Stücke vor. Für mich, der ich selber privat Klavier spiele, wurden solche Begegnungen mit Klaviervirtuosen natürlich unvergesslich. All dies sind Erinnerungen, von denen es noch viele zu erzählen gäbe. Die Tage Alter Musik Regensburg sind in ihrer Art unvergleichlich. An vier Tagen gibt es Konzerte von exorbitanter künstle- rischer Qualität zu hören, die alles in den Schatten stellen, was der konventionelle Klassikmarkt zu bie- ten hat. Dabei treten immer wieder wie aus dem Nichts unbekannte Künstler auf, die einen ob ihres Könnens sprachlos zurücklassen. Ein Höhepunkt jagt förmlich den anderen. Und dies alles geschieht in einer Atmosphäre, aus der jeglicher Dünkel und jede Exaltiertheit verbannt ist. Ich kann den Organisatoren des Festivals nur herzlich danken für unvergessliche Tage, Konzerte und Momente. Macht weiter so, möglichst noch einmal 25 Jahre. Günter Kohl Festivalbesucher 52

RkJQdWJsaXNoZXIy OTM2NTI=