Tage Alter Musik – Jubiläumsschrift 2009

die Musik der Beatles hatte es mir damals sehr angetan. Ich hatte früh das Klavierspiel erlernt, um dann später aber fast ausschließlich E-Gitarre zu spielen. Diese Dichotomie von Klassik und Pop/Rock, die also offenbar schon früh in mir grundgelegt wurde, ist auch heute noch in mir „am Werk“. So begeistert es mich einerseits, wenn mir beim Komponieren eines Rocksongs ein kleiner Coup gelungen ist. Andererseits bekomme ich bei einer perfekten Interpretation von Renaissancemusik durch das eine oder andere Vokalensemble in der Dominikanerkirche durchaus mal feuchte Augen... Und auf jeden Fall kommen mir als quasi „Crossover-Mann“ nicht wenige der großen ästhetischen Errungenschaften der Alte Musik-Bewegung natürlich außerordentlich entgegen. Ganz am Rande bemerkt finde ich es ohnehin sehr interessant, wie ausgewiesene Musikliebhaber häufig genreübergreifend zu ganz ähnlichen Qualitätsurteilen kommen. Wenn ich z.B. mit Ludwig Hartmann über Rock oder Jazz oder welche Musik auch immer rede, kommen wir auffällig oft zu ganz ähnlichen Einschätzungen, was wir denn jeweils gut finden und was weniger. Wir gehen übrigens auch öfters mal gemeinsam auf ein Rockkonzert. Zurück aber noch einmal zu Ihrer Frage: Im September 1998 also rief mich Stephan Schmid an und sagte in dem ihm eigenen, so charmanten Stil voller Understatement irgendetwas wie „ja, es sieht jetzt so aus, als ob du vielleicht doch diese neue Stelle des Geschäftsleiters antreten könntest“. Er sagte das in einem Moment, als ich buchstäblich bereits die ersten Umzugskartons gepackt hatte. Ich war nach Monaten der vergeblichen Arbeitsplatzsuche wild entschlossen, nach Italien umzuziehen, um dort mein Glück zu versuchen. Dieser Anruf von Stephan Schmid kam also genau im richtigen Zeitpunkt. Das war für mich eine richtig große Sache! Manche fragen sich vielleicht: Was muss man eigentlich können, um einen solchen Beruf ausüben zu können? Nun, was mich vermutlich in diese Position gebracht hat, war wohl die Überzeugung von Ludwig Hartmann und Stephan Schmid, die mich also schon eine Weile „unter die Lupe“ hatten neh- men können, dass ich neben meiner Liebe zur Musik ein gewisses Organisationstalent und eine gehöri- ge Portion Tatkraft mitbrachte. Ich glaube nicht, dass es beispielsweise irgend etwas mit meinem Studium oder so zu tun hatte – ich bin M.A der Geschichte und der Anglistik. Im Übrigen glaube ich ohnehin, dass kein Studium der Welt für einen solch speziellen Job wie den das Tage Alter Musik–Geschäftsleiters vorbereiten könnte. Denn dieser muss eigentlich alles sein: Jurist, Betriebswirt, Musikwissenschaftler, Sprachengenie etc. Und wenn man dann noch geschwind Ausbildungen zum Mediendesigner, zum Buchhalter und zum Systemadministrator dranhängt, dann könnte das allmählich etwas werden... Herr Holzgartner, womit verbringt man eigentlich 1 Jahr Vorbereitungszeit für den jeweils nächsten Festivaljahrgang? P.H.: Interessant, diese Frage wird mir wirklich oft gestellt... Wichtig zu wissen ist zunächst einmal viel- leicht, dass ich eigentlich grundsätzlich für alles zuständig bin außer für die Auswahl der Gruppen (das ist die absolute Domäne von Ludwig Hartmann und Stephan Schmid). Und abgesehen von einigen Spezialgebieten (so leistet vor allem Ludwig Hartmann einen Großteil der Arbeit bei der Erstellung unserer Publikationen, etwa beim Programmheft) spielt sich alles auf meinem Schreibtisch ab. Das geht von den Verhandlungen und der weiteren Kommunikation mit den Künstlern bis hin zur Umsetzung aller notwendigen organisatorischer Maßnahmen: Hotelbuchungen, manchmal Reisebuchungen, Saalbuchungen sowie –präparierung (wir bespielen ja zumeist keine normalen Konzertsäle), 62

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