Tage Alter Musik – Programmheft 2003

Das New Yorker Vokal- und Instrumentalensemble ARTEK präsentiert unter seiner Gründerin und LeiterinGwendolyn Toth einen Querschnitt durch Monteverdis siebtes (1619) und achtes (1638) Madrigalbuch. Darunter erklingen einige seinerMadrigali guerrieri et amorosi , u.a. das Lamento della ninfa und Zefiro torna. Auch die berühmte Madrigalversion des „Lamento d’Arianna“ (1610) steht auf dem Programm. Neben den Madrigalen von Monteverdi ergänzen Instrumentalstücke von Zeitgenossen Monteverdis, wie B. Castaldi, G. G. Kapsberger undT. Meruladas Programm. Nach 1998 gastiertARTEKzum zweiten Mal in Regensburg. Das Ensemble hat sich auf die Vokal- und Instrumentalmusik des 17. Jahrhunderts spezialisiert und zählt zu New Yorks führenden Alte-Musik-Ensembles. Im August 2003 wird ARTEK zusammen mit der Mark Morris Dance Group beim Edinburgh-Festival Monteverdi-Madrigale szenisch aufführen. Es gibt einige hoch gelobte CD-Einspielungen, u.a. Monteverdis „Orfeo“ und Aufnahmen seiner Madrigale unter dem Titel „I don’t want to love“. Zum Programm: Wir sind geneigt, den von Caccini, Peri, Cavalieri und Monteverdi geprägten affektbetonten monodischen Stil im frühen 17. Jahrhundert als Ende des polyphonen italienischen Liedes anzusehen. Expressiver Sologesang wurde von einigen für den wahren Ausdruck humanistischen Musizierens in Nachahmung von Orpheus und den Griechen gehalten und führte zur Geburt der Oper. Aber neben der Entwicklung der Monodie stand das polyphone Madrigal weiterhin in Blüte (manchmal unter Hinzufügung einer instrumentalen Basso-continuo-Stimme), und das Aufkommen anderer nicht-solistischer Formen wie des konzertierenden Duetts (zwei Stimmen mit Basso continuo) und des Dialogs zeigen die Vielfalt früher italienischer Barockkultur. Im Jahre 1619 warClaudio Monteverdianerkannter Meister des fünfstimmigen polyphonen Madrigals und mit seinem „Orfeo“ und der „Arianna“ war er führend in der Entwicklung der Oper. Sein Madrigal in vier Teilen aus seinem sechsten Madrigal-Buch, „Lamento d’Arianna“, ist der nicht erhalten gebliebenen Oper „Arianna“ entnommen. Es stellt eines der Meisterstücke der Madrigalliteratur dar und steht beispielhaft für den Höhepunkt polyphonen Gesangs. Aber in einer für den 51-jährigen Komponisten bemerkenswert neuer Weise enthält sein Siebentes Madrigal-Buch (1619) 15 Duette mit Basso continuo, darunter einige der ausdrucksvollsten Werke des Genres. In diesen Duetten benutzt er Verse der führenden Dichter der Zeit und bietet sie in einer Vielzahl von musikalischen Stilarten. Seine Vertonung von Giovanni Battista Guarinis (1538-1612) „O come sei gentile“ verwendet einen blumigen, melismatischen Stil, den er schon früher im „Orfeo“ und in den „Vespern von 1610“ verwendet hatte. In Guarinis „S`e’l vostro cor madonna“ bedient er sich der gewichtigeren Deklamation des stile rappresentativo. In „Soave libertate“ wandte sich Monteverdi demWerk des Gabriello Chiabrera (1552-1638) zu, der in diesem Scherzo eine süße und wehmütige Klage eines Liebenden schafft, der doch wieder in den fordernden Dienst der Liebe hineingezogen wird. Eine ähnliche Stimmung durchzieht Monteverdis Vertonung des anonymen „Ah, che non si conviene“ , in dem die von ihm geschaffenen musikalischen Texturen und Gesten wunderschön die Qualitäten der Entschlossenheit, die in dem Text zum Ausdruck kommen, illustrieren. Giambattista Marino (1569-1625), der Liebling der poetischen Welt im frühen 17. Jahrhundert, entfernte sich von den von Petrarca stammenden Idealen der platonischen Liebe und setzte dafür Motive körperlicher Liebe ein. Seine spielerische und lustvolle Dichtung zog viele Komponisten an, erregte aber auch die Aufmerksamkeit der Inquisition und führte zur Untersuchung durch sie. Seine Reihe von baccio-Madrigalen, die die Genüsse des Kusses ausmalt, darunter Monteverdis Trio „Eccomi pronta“, war außerordentlich populär; insgesamt 41 von ihnen wurden zwischen 1603 und 1643, dem Todesjahr Monteverdis, veröffentlicht. „Gira il nemico“, eine Vertonung eines Gedichts von Giulio Strozzi (1583-1660) aus Monteverdis Achtem Madrigalbuch (1638), benutzt den stile concitato, die kriegerische Tonart, die Monteverdi selbst erfand, indem er feststellte: „… in allen Werken von Komponisten der Vergangenheit konnte ich kein Beispiel finden für das erregte Genre, obwohl es Beispiele für die weiche und gemäßigte Art gibt...“ Wie in vielen der im stile concitato komponierten kriegerischen Madrigale, die im Achten Buch zu finden sind, bezieht sich der Kampf hier auf die Liebe, wenn sich die hilflosen Liebenden zu verteidigen suchen gegen ihre Nemesis in Form von Cupido. Die Kompositionstechnik eines Vokalsatzes für eine, zwei oder mehr Stimmen über einem sich wiederholenden Bass- oder Harmonie-Muster wurde von Komponisten des frühen 17. Jahrhunderts ausgiebig angewandt. Im „Lamento della Ninfa“ (Achtes Buch), Text von Ottavio Rinuccini (1562-1521), verwendet Monteverdi das viertönige absteigende Bassmuster als wunderschöne Basis für die klagende Nymphe, während die Einwürfe der drei Männer ebenso wie die kurzen Sätze vor und nach ihrer Klage einen ergreifenden Kommentar darstellen. „Chiome d’oro“ (Siebentes Buch) benutzt andererseits eine schwungvoll aufwärts führende Basslinie, um eine freudige Abbildung der körperlichen Schönheit von einem anonymen Autor zum Ausdruck zu bringen. „Zefiro torna“ (Scherzi musicali, 1632) setzt den einzigartigen Ciaccona-Bass mit seinem schwungvoll tanzenden Gestus ein, um Rinuccinis Bild des sprühenden Erwachens des Frühlings zu untermalen. ARTEK (New York) JUNI 2003 Sonntag, 8. Juni 2003, 11.00 Uhr (Matinee) St.-Oswald-Kirche , Weißgerbergraben Leitung und Cembalo: Gwendolyn Toth „Non voglio amare“ - Madrigale von Claudio Monteverdi und Instrumentalmusik seiner Zeitgenossen 16 ARTEK im Jahr 1998 im Reichssaal

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